Militärhilfe der DDR für die Dritte Welt


Warum mußte das so geheim bleiben?


Von Walter Hundt


Endlich liegt verdienstvollerweise der Band  „Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die Dritte Welt“ von Klaus Storkmann, Major der Bundeswehr, vor. Selbstkritisch sei angemerkt, daß er längst von DDR-/NVA-Insidern, also von Akteuren und Mitwirkenden auf diesem Gebiet, hätte geschrieben werden können und müssen. Für die DDR war, wenn es sich um sie selbst handelte, eben alles streng geheim, was andere - solche und solche - massiv, dauerhaft und offen taten und noch heute tun, aus „politischer Sympathie“ mit deren jeweiligen Partnern in der sogenannten Dritten Welt und/oder mit von wirtschaftlichem und Profitstreben gesteuerten Interessen. Bestimmte Aktionen der Militärhilfe der DDR gegenüber Entwicklungsländern gingen, wie der Rezensent aus jahrzehntelanger eigener beruflicher und militärischer Erfahrung weiß, nicht selten selbst an Teilen der oberen militärischen Führung vorbei, die erst nach der Wende – wenn sie daran noch interessiert waren – davon erfuhren und sich Einblick verschaffen konnten.


Storkmann interessierte sich mit großer Intensität für besagtes Thema der Tätigkeit des damaligen „Klassenfeindes“  und verteidigte im Ergebnis umfassender Materialstudien eine nach Auffassung des Rezensenten qualitativ bemerkenswerte  Dissertation dazu, begünstigt dadurch, daß auf DDR-Seite nach der „Wende“ auf einmal nahezu alles, eingeschlossen  die Dokumente mit seinerzeitig höchsten Geheimhaltungsstufen, absolut offen und für Bundeswehrangehörige in den einschlägigen Archiven besonders vorteilhaft nutzbar war. Das Thema wäre besonders geeignet gewesen, eine bei einer bestimmten Gattung von Verfassern übliche Schmähschrift zu verfassen, weniger wegen der militärischen Hilfe für die Dritte Welt (die ja in westlichen Staaten nicht weniger ausgeprägt ist), sondern weil es sich eben um die DDR handelte. Ungeachtet bestimmter historischer Wahrheiten muß der Autor auch jetzt noch mit der Kritik einer bestimmten Klientel rechnen.  Autor, Verlag und Militärisches Forschungsamt (MGFA) bekennen sich honorig zu fundierter wissenschaftlich objektiver Abhandlung, was sie kritikwürdige Positionen und Fakten nicht übersehen läßt. Der Autor nutzt eine umfassende Literatur- und Dokumentenquellen-Basis zur soliden Stützung seiner Thesen.

 

Solidarität mit den nationalen Befreiungsbewegungen und mit den jungen damals gerade politisch unabhängig gewordenen Nationalstaaten in Afrika und in Asien sowie mit lateinamerikanischen „antiimperialistisch orientierten“ Ländern war innerhalb der politisch-strategischen Konzeption der DDR-Außenpolitik weit oben angesiedelt und - obwohl das heute nicht so gern erwähnt wird - in breiten Kreisen der Bevölkerung mehr oder weniger relativ tief verwurzelt. Militärische Unterstützung für Entwicklungsländer (Ausbildungshilfe, Bereitstellung von technischen Ausrüstungen, die in bestimmten Staaten bis zu Waffen reichten u.a.m.) gehörte von einem bestimmtem Zeitpunkt an dazu, wurde aber in der Öffentlichkeitsarbeit nicht breit behandelt. Der Titel des Buches sollte ursprünglich lauten „Geheime Solidarität?“ Das Fragezeichen hätte in Frage gestellt, ob dies überhaupt Solidarität war, was aus unserer Sicht zu einer falschen Antwort geführt hätte. Der Titel ohne Fragezeichen hebt das Geheime dieser Art von Solidarität hervor, stellt sie aber nicht in Frage.


Umfassende Betrachtungen des Autors beschäftigen sich damit, ob die „antiimperialistische Solidarität“ der DDR mit ihrer Ideologie oder mit  „Interessenpolitik“ zu tun hatte und wie weit man ihr Legitimität und Legalität zugestehen darf. Manche der Überlegungen erscheinen als überflüssig, andere lassen nur eine historisch einigermaßen erklärbare Antwort zu, wenn man den von den Marxisten ins Spiel gebrachten Terminus des Klassenstandpunktes einer jeden Seite bei ihrem Handeln zugrunde legt. Ost und West handelten - nach außen gesehen – gleich oder bzw. ähnlich auf dem Gebiet der militärischen Unterstützung in der Dritten Welt. Sie folgten verschiedenen Ideologien und vertraten verschiedene – besser: gegensätzliche – Interessen. Das „oder“ in der Fragestellung müßte eigentlich in Frage gestellt werden, handelte es sich doch in der Regel in jedem Falle um Ideologie und Interessenpolitik, die sich in gewisser Hinsicht sogar bedingten. Auch wirtschaftliche Interessen der DDR in diesem Zusammenhang waren abgeleitet von politisch-ideologischen Positionen, aber eben nicht nur und nicht völlig und ausschließlich. Storkmann verweist auf die Tatsache, daß sowohl die DDR als auch die BRD Irak und Iran während ihres Krieges mit Militärgütern belieferten. Ganz natürlich erscheint in den sechziger/siebziger Jahren auch das große Interesse der DDR an einer vollen diplomatischen Anerkennung durch möglichst viele Länder.


Bei der Beantwortung der Frage nach der Legalität und der Legitimität des Handelns ist der genannte Problemkomplex stets zu beachten, wenn man zu erklärbaren objektiven Antworten gelangen will. Dabei ist nicht unbedingt an das Urteil der nachmaligen „Sieger“ gedacht. Storkmann vermeidet es bewußt, bestimmten Trends zu folgen und die Frage so zu stellen: Wenn es sich um den Gegner handelt, in diesem Falle die DDR, dann haben Begriffe wie Ideologie, auch wirtschaftliche Interessen (Kommerz) einen unterschwelligen Negativbeigeschmack. Im Falle der anderen Seite haben diese Termini einen stets „edlen“ Inhalt ohne den bewußten Beigeschmack. Der Autor spürt das offenbar und bezieht anerkanntermaßen (unbewußt?) eine abschwächende, zum Tatsächlichen hinführende Position, was ihm sicher einige Kritiker übelnehmen könnten. Ostdeutsche Insider dürften angesichts der Resultate, die ein Beispiel wissenschaftlich belegter Objektivität und eine gesicherte dialektische Globalsicht darstellen, zur Zustimmung und zur Bestätigung der Resultate neigen. Manche Autoren beziehen nach wie vor die Auffassung: Erwies die DDR Solidarität, was von Haus aus und generell (bei anderen) positiv ist, dann ist Solidarität anrüchig, von Eigennutz getragen und gegen Freiheit und Demokratie gerichtet. Aber Storkmann beweist: so geht es in einer wissenschaftlichen Dissertation nicht!

 

Der systembedingte Mantel absoluter Geheimhaltung auf DDR-Seite und die beidseitig im Kalten Krieg übliche Schwarz-Weiß-Schemata-Sichtweise begünstigten auf „westlicher“ Seite diverse Spekulationen, Übertreibungen und einen „Wettlauf der Sensationen“ in den Gerüchteküchen, die von „Bayern-Kurier“ und „Berliner Morgenpost“ über „Die Zeit“ und den „Spiegel“ bis zur „New York Times“ und „Time“ reichten, wenn es um die Berichterstattung über NVA-Aktivitäten speziell in der Dritten Welt ging. Wohl kaum ein anderes Feld der DDR-Militärpolitik und der NVA-Geschichte war von dieser „speziellen Art“ des Herangehens so betroffen. Der Autor führt alle Auswüchse ad absurdum, die von der DDR als „Hauptakteur des Warschauer Paktes in Afrika“, von „Europas deutschen Kubanern“, „Honeckers Afrika-Korps“, „Ulbrichts Legion Condor in Biafra“, Keßlers Hindukusch-Kampfhubschrauber-Geschwader“, „30000 DDR-Militärexperten und 2000 Militärberater in Afrika“ oder einem „NVA-Fallschirmjäger-Regiment in Äthiopien“, später verlegt nach Angola, faselten. Ausbildungsstätten in der DDR wurden als „Terroristenschulen“ verunglimpft. Storkmann setzt den Pseudo-Fakten exaktes wissenschaftliches Recherchieren und eine quellengesicherte Basis entgegen, was nicht ohne eine Portion Mut möglich ist.


Daß die militärische Unterstützung der DDR/NVA dazu diente, in den besagten Ländern und bei der Ausbildung von Militärkadern dieser Länder in der DDR nach „sozialistischen Prinzipien“ handelnde „sozialistische Armeen“ aufzubauen, eben nach sowjetischen und DDR-Erfahrungen, ist unbestritten, auch wenn sie auf Grund der weltpolitischen Entwicklung letztendlich nicht zum Erfolgsmodell wurden. Negative Auswirkungen hatte es auch, daß ja mit sowjetischer Strategie und Taktik sowie mit sowjetischer Technik empfindliche militärische Niederlagen, z.B. in Ägypten, hingenommen werden mußten.  Generell waren der Handlungsspielraum und die Aktivitäten der DDR mit der sowjetischen Partei- und Staatsspitze sowie vor allem mit dem Generalstab abgestimmt, was auch Reisen von Militärdelegationen der DDR und ausländischer Militärdelega- tionen in die DDR betraf, sowieso  das gemeinsame Vorgehen gegenüber  einer Ausdehnung der Tätigkeit Chinas in den Entwicklungsländern. Nicht selten kam es zu erzwungenen Rücksicht- nahmen der DDR (bestimmte Lieferverbote und Eingriffe in Lieferungen, Lizenzfragen u.a.), speziell zunehmend in der Periode des Gorbatschow-Kurses. So verfügte die Sowjetregierung im Interesse ihrer Entspannungspolitik gegenüber den USA einen Lieferstopp für Waffen nach Nikaragua, was von der DDR eine gewisse Zeit unterlaufen wurde. Ein Geheimnis ist heute nicht mehr, daß die DDR-Seite in der Dritten Welt  in einer ganzen Reihe von Fragen mit ernsten Differenzen mit der Sowjetunion und zum Teil mit Kuba zurecht kommen mußte. Mit den Warschauer-Pakt-Staaten kam es nur im geringen Maße zu von der DDR mehrfach vorgeschlagenen Abstimmungen, was vielfach zu Pannen, Doppellieferungen u.ä. führte. Erst 1980 verabschiedeten die betreffenden Staaten nach einem jahrelangen Diskussionsprozeß „Grundsätze der Koordi- nierung der Handlungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Pakts bei der Verwirklichung der militärischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern“, die allerdings nicht veröffentlicht wurden und wesentlich geringere Wirkung hatten, als erwartet.

  

Ausländische Wünsche, manchmal auch als Forderung vorgetragen, wurden stets auf höchster Ebene durch die damit befaßten Parteiorgane der SED, in den meisten Fällen direkt und oftmals bis in Kleinigkeiten durch den Generalsekretär („Einverstanden E.H. - Datum“), entschieden, was erst dann die militärpolitischen und praktischen Vorgaben des Ministeriums für Nationale Verteidigung auslöste. Allerdings waren die Verteidigungsminister ab 1973 Mitglied des Politbüros. Diesen Prozeß der Entscheidungsfindung erläutert Storkmann in allen Einzelheiten. Er beweist, daß man also eindeutig und unübersehbar vom Primat der Politik bzw. der Partei als WVO-typischer Normalität - keineswegs von einem Militär-Primat – sprechen konnte. Auch Einzelpersonen wie Lamberz, Mittag und Schalck-Golodkowski spielten dabei und in diesem Rahmen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch der Stellvertretende Ministerpräsident Gerhard Weiß gehörte zu diesem spezifischen Regulatorium. Er und Generaloberst Fleißner, Stellvertretender Minister für Ausrüstung, Technik und Bewaffnung, bildeten bis 1977, in der Folgezeit ohne Weiß, eine zentrale Schaltstelle unter Einbeziehung des Ministeriums für Außenwirtschaft, der Staatlichen Plankommission und des Außenministeriums, wo Vorstellungen über die Länderliste und über die Liste der materiellen Lieferungen einschließlich von Waffen im Entwurf erarbeitet wurden. Die Grenze zwischen kostenfreien Solidaritätssendungen und kommerziellem Export blieb stets für Außenstehende undeutlich und verschwommen. Nach dem Ausscheiden von Weiß wurde nunmehr unterschieden zwischen „speziellem Export“ und „Hilfs- und Solidaritätssendungen“.


Zu Beginn des Entscheidungsprozesses also noch erheblich eingeschränkt, verfügte die NVA-Führung erst am Ende dieser Werdegangskette über größeren Spielraum. Dies konnte sich aber allerdings auch als „Rückenwind“ erheblich förderlich für die Um- und Durchsetzung auswirken. Storkmann behauptet, daß das Außenministerium aus dem entscheidenden Zirkel ausgeschlossen blieb, übersieht dabei aber, daß einzig Außenminister Winzer von 1965 bis zu seinem Tode als Person und Nichtmitglied des PB  an allen Politbüro-Sitzungen teilnahm. Danach kam dem Außenministerium im Prinzip eine beratende und zuarbeitende Rolle zu. Es war in der Folgezeit aber auch vielfach Initiator und Motor für militärdiplomatische Erstkontakte. Ab 1973 erhöhte sich die Zahl der Militärattachés in der Dritten Welt fast sprunghaft, was aber nicht zuletzt mit der Zunahme der Staaten zusammenhing, die die DDR trotz Hallstein-Doktrin voll diplomatisch anerkannten.


Die nach der „Wende“ lange umstrittene Frage nach der finanziellen Rolle des Solidaritätskomitees der DDR in diesem Zusammenhang beantwortet der Autor nach seinem Aktenstudium dahingehend, daß dieses keine aktive Rolle bei militärischen Hilfeleistungen, besonders Waffenlieferungen, gespielt habe. Aktennachweise besagen, daß es durch Politbüro-Beschlüsse zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen herangezogen wurde (Mitfinanzierung des Aufenthalt von Auszubildenden, Transportleistungen, Sachhilfe für Kranken- und Verwundeten-Behandlung).


Im Rahmen von drei Teilstudien (Äthiopien, Mocambique, Ägypten) versucht der Autor unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit eine Bewertung der Militärbeziehungen der DDR zu diesen drei Staaten vorzunehmen, um für alle Partnerstaaten der Dritten Welt gültige Verallgemeinerungen zu gewinnen, woraus sich eine gewisse grundsätzliche Linie der DDR-Politik ableiten ließe. Dabei gerät er in die Situation, den bis dato in der Westpresse der damaligen Zeit verbreiteten haltlosen und weitestgehend erfundenen Sensationsmeldungen den Garaus mittels Herausarbeitung der historischen Realität zu machen. Dies geschieht mit einer Gründlichkeit und einer durch Dokumente hervorragend gestützten Analyse, deren forschungsmäßige Resultate ihm auch eine gute Ausgangsstellung in den nach Erscheinen des Buches mit Sicherheit zu erwartenden Kritiken aus seinem eigenen Lager bieten werden. Als politisch-ideologische Basis der Zusammenarbeit der DDR mit den erwähnten Fall-Staaten arbeitet er die These der östlichen Seite heraus, die in den untersuchten Partnerländern „natürliche Verbündete“ sieht. Von dieser Position wurde im Prinzip lediglich im Falle Irans Anfang und Ende der achtziger Jahre abgewichen, was Storkmann zu erklären versucht. Auch die zum ideologischen Grundverständnis der DDR gehörende, verfassungsbasierte Solidarität wird in einer Weise untersucht und bewiesen, die die volle Unterstützung vieler an der praktischen Umsetzung dieser Idee beteiligten ehemaligen Bürger und Soldaten in den neuen Bundesländern noch heute erfahren dürfte.

 

Zu den im Prinzip unumstößlichen Positionen der DDR unter Ulbricht und unter Honecker gehörte die grundsätzliche Ablehnung aller Wünsche und Forderungen nach einem Kampfeinsatz von NVA-Einheiten bzw. Kampfpiloten oder einer umfangreichen Kaderausbildung sowie Beratertätigkeit in den Entwicklungsländern selbst durch NVA-Offiziere vor Ort. Dies besorgte die DDR in großem Maßstab auf ihrem Territorium. Nicht nennenswerte Ausnahmen bildete der zeitweilige Einsatz von Militärärzten in Zivil oder einzelner Armeeangehöriger bei Schutzeinsätzen  und zur Evakuierung von (zivilen) DDR-Bürgern, die als Entwicklungshelfer dort weilten, oder in drei Fällen der Einsatz von NVA-/Interflug-Gruppen in Äthiopien (Dürrekatastrophe, Lebensmitteltransporte, Umsiedlung von Dürregeschädigten) oder Flüchtlingstransporte in Bangladesh.  Auch die Bitte Sambias 1979, die gesamte Luftraumsicherung des Landes durch die DDR-Luftstreitkräfte zu übernehmen, wurde abschlägig beschieden.


 Der Leser wird umfassend über die Ausbildung von Militärkadern in der DDR unterrichtet, bei der von DDR-Seite hohe Kosten übernommen wurden, aber auch in bestimmten Fällen auf kommerziell-finanzieller Basis im Zusammenwirken mit Außenhandelsunternehmen verrechnet wurde, für die der Bereich Kommerzielle Koordinierung des Staatssekretärs Schalck-Golodkowski zuständig war. Eine relativ große Rolle spielten dabei Rohkaffee – für den DDR-Bürger damals ein „strategisches Produkt“ -  und bestimmte Rohstoffe aus verschiedenen afrikanischen Ländern.


Den Auftakt für die Ausbildung ausländischer Militärkader durch die NVA – im Prinzip und nahezu grundsätzlich auf dem Territorium der DDR, nur im verschwindenden Maße und in kleinsten Ausnahmefällen anfangs außerhalb – bildete Hilfe für die Marine und den Küstenschutz Sansibars 1964. Verstärkung als quasi fester Bestandteil der Militärpolitik erfuhr die Militärhilfe ab 1972.

Die DDR ermöglichte im Laufe der Zeit Ausbildungshilfe in einer äußerst breiten Palette von Fachgebieten: Nachrichtenwesen, Pioniertechnik, Waffentechnik, Panzertechnik, Kfz-Ausbildung, mot. Schützen, Artillerie, Marineausbildung, Schiffsmaschinenwesen, Kampfschwimmer, Fliegeringenieurdienst, Jagdfliegerpiloten, Hubschrauberführer, Raketenluftabwehr, chemischer Dienst, militärmedizinische Ausbildung, Rückwärtige Dienste,  Grenzdienst und Politoffiziers- ausbildung. Die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung, deren Unterrichtsanteil etwa 18% ausmachte (Offiziersschüler aus Libyen, Syrien, Nord-Jemen, Libanon und eingeschränkt aus Nikaragua waren davon laut Vertrag freigestellt), erfolgte für alle Fächer und Spezialgebiete. Sie umfaßte auch die Darstellung des „revolutionären Weltprozesses“  und des weltweiten Ost-West-Konflikts sowie sich daraus ergebende länderbezogene Probleme. Ihr dienten ferner Exkursionen in die „gesellschaftliche Praxis“, in Betriebe und andere Einrichtungen in den Bezirken der DDR. Damit sollte nicht zuletzt eine politisch gewollte Pro-Sozialismus- und Pro-DDR-“Fernwirkung“ erzielt werden.


Die Ausbildung erstreckte sich für Offiziers- und Unteroffiziersschüler auf eine unterschiedliche Dauer bis zu fünf Jahren. Sie erfolgte an der Militärakademie Dresden, an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte in Löbau, der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung in Kamenz, der Offiziershochschule der Volksmarine in Stralsund,  ab 1981 auch an der spezifischen Offiziershochschule für ausländische Militärkader in Prora, der Flottenschule Parow und den Militärtechnischen Schulen in Parow und Bad Düben. Die sprachlichen Voraussetzungen wurden am Institut für Fremdsprachenausbildung der NVA in Naumburg geschaffen; zum geringen Teil bereits in den Heimatländern. Außerhalb der NVA betrieben auch das Ministerium des Inneren und das Ministerium für Staatssicherheit Ausländerausbildung auf polizeilichem, Miliz- und Sicherheitsgebiet (in den Zahlenangaben der NVA nicht enthalten).

      

Diese Ausbildung umfaßte im Zeitraum von 1972 bis 1990 3008 Auszubildende aus 22 Ländern (8 afrikanische, 7 arabische und Nahost-Länder, 5 asiatische und 2 lateinamerikanische Länder). Zahlenmäßige Schwerpunkte bildeten Vietnam, die VR Kongo, Mocambique sowie Syrien und Libyen. Die Finanzierung erfolgte außerordentlich differenziert und speziell vertraglich vereinbart und erstreckte sich von völliger Kostenübernahme durch die DDR über partielle Kostenaufteilung bis zur vollen Erstattung an die DDR.  Ein kurios anmutendes Äquivalent bot die Regierung Guineas an in Form von Land zum Erwerb durch die DDR für den eigenständigen Kaffeeanbau. Bei der allgemeinen materiellen Hilfe ist die Zahl der unterstützten Staaten und Befreiungsbewegungen noch erheblich größer. Storkmann hat eine ausführliche Analyse der Bewertung dieser Maßnahmen  sowohl seitens der Partei- und Staatsführung der DDR, des Verteidigungsministeriums, des diplomatischen und militärdiplomatischen Dienstes sowie beteiligter NVA-Offiziere als auch seitens der Regierungen und der Streitkräfte der betreffenden Entwicklungsländer und vor allem der Ausgebildeten vorgenommen.


Die materiellen Lieferungen erstreckten sich im wesentlichen auf: Jagdflugzeuge der Typen

MiG-15, MiG-17 und MiG-21 sowie der Schulvarianten und Zubehör; Panzer T-34 und T-54AM; Granatwerfer, Geschütze und Fla-Raketenkomplexe; Infanteriewaffen und Panzerabwehrgerät; Munition; LKW W-50; Boote; Stahlhelme, Uniformen und andere Ausrüstungsgegenstände; Feld-lazarette, medizinische Technik und Material. Nicht selten gingen die Lieferungen an die Grenzen des Möglichen und reichten nahe an die Gefährdung der eigenen Einsatzbereitschaft. Flugzeuge und Panzer sowie schweres Gerät wurden zumeist durch anstehende Modernisierungen freigesetzt. Daneben erfolgte in speziellen Betrieben in der DDR die technische Überholung von Panzern und Kampfflugzeugen aus den Beständen der befreundeten Streitkräfte. Verwundete wurden in Krankenhäusern in der DDR versorgt.


Bei den aufgebrachten Gesamtkosten der militärischen Unterstützung in Höhe von etwa 950 Mill. Mark oder bei der en masse unentgeltlichen militärischen materiellen Hilfen oder bei der Übernahme von 86% der Kosten für die Ausbildung der in ihren Ländern dringend benötigten Militärkader durch die DDR  spielte deren Sicht auf ein „weltpolitisches Bündnis“ mit einem bestimmten Teil der Entwicklungsländer unbestritten eine Rolle. Storkmann schreibt: „Der Solidaritätsgedanke prägte das Denken und Handeln der SED-Spitzengenossen.“ Er verweist aber gleichzeitig darauf, das die Solidarität mit der Dritten Welt in der DDR Verfassungsrang hatte. Der Rezensent möchte aus eigener Erfahrung hinzufügen, daß  dieser Gedanke auch in den persönlichen Bereich großer Teile der Bevölkerung reichte, die direkt und indirekt mit kleinen oder großen Aktivitäten an seiner Umsetzung beteiligt waren.

 

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Storkmann, Klaus


Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die Dritte Welt. Hg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Ch. Links Verlag, Berlin 2012, 704 S., 49,90  €


(Veröffentlicht im „Neuen Deutschland“  am 26.7.2012  - in einer stark gekürzten Fassung;   voller Text u.a. im Internet „NVA-Forum“)