Prof. Dr. Walter Hundt, Fichtenwalde


Erschienen in: WeltTrends, Nr.76, Januar/Februar 2011, S. 129-130)


Biedermann, Bernd: Offizier, Diplomat und Aufklärer der NVA. Streiflichter aus dem Kalten Krieg, Berlin, Verlag Dr. Köster 2008, 315 S


Eine Kalte-Kriegs-Karriere


Die als „Streiflichter“ gedachten und mit zahlreichen Fotos versehenen Darlegungen des Autors schildern seinen (in der DDR durchaus tausendfach typischen und  im Prinzip normalen) Lebensweg vom Arbeiterjungen mit Abitur zum (anfangs so nicht geplanten) 30 Jahre währenden Militärdienst. Für ihn endete dieser Weg nach der Wende als Oberst der Militäraufklärung der NVA .

Biedermann gibt eine realistische Beschreibung der in der Regel harten allgemein-militärischen Grundausbildung und der Ausbildung als Kanonier in einem Flakartillerie-Regiment in Sachsen (ganz ohne die in manchen Fällen Mode gewordene, für heute bestimmte „Nachwende-Story“). Er schildert die Sorgen und Nöte, aber auch die Freuden eines ständig unter dem Zeitdruck der bevorstehenden Einführung moderner Fla-Raketen-Technik stehenden studierenden Offiziers- schülers an der Flakartillerieschule Potsdam-Geltow und im Spezialausbildungsstandort Pinnow und den sich aus dem erfolgreichen Studienabschluß ergebenden Truppendienst bei der Einführung des „Komplex Dwina“. Dieser leitete einen gewaltigen technisch-wissenschaftlichen Umbruch in der Luftverteidigung der NVA ein und  schuf die ersten Voraussetzungen für ein zuverlässiges DHS (Diensthabendes System der Luftverteidigung).  Die wissenschaftlich-technische Revolution im Militärwesen erforderte Biedermanns weitere Qualifizierung an der Militärakademie der NVA und an der Hochschule der sowjetischen Luftverteidigung in Minsk, woran sich Lehr- und Forschungs- tätigkeit in Dresden anschloß.

1973 folgt der Autor dem Vorschlag,  einen völlig neuen Abschnitt seiner militärischen Tätigkeit und damit einen absolut neuen Lebensabschnitt mit völlig neuen Arbeitsbedingungen zu beginnen. Die erforderlichen Voraussetzungen schafft ein Zusatzstudium an der NVA-Spezialschule Naumburg. Biedermann bereitet sich „von der Pike auf“ auf eine militärdiplomatische Tätigkeit im Ausland vor, die ihn in der Folgezeit nach China sowie nach Belgien und Luxemburg führen wird. Die Arbeit der Militärattachés , die gerade zu diesem Zeitpunkt der Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung unterstellt werden, beinhaltet eine international anerkannte, offizielle diplomatische  Funktion, mit der Aufgaben der militärischen Aufklärung verbunden sind, wie das international üblich  ist . Aus diesem Grunde erscheint seine Publikation als Band 3 in der Reihe „Geheime Nachrichtendienste“ des Dr. Köster- Verlags *).  Auf interessante Weise behandelt Biedermann diesen Zweig der militärischen Tätigkeit, der in gewisser Hinsicht naturgemäß von Geheimnissen umgeben ist, in seinem Wechelverhältnis von Diplomatie und Militäraufklärung. Dies geschieht vor der nationalen und weltpolitischen Kulisse (Kalter Krieg, Mauerbau, Kuba-Krise, CSSR-Ereignisse, „Wende“ ab 1989 u.a.m.).Ungezählte Erlebnisse und Episoden veranschaulichen die breite Palette dieser Tätigkeit und die dialektischen Zusammenhänge. Das trifft besonders auf das Wirken in Brüssel, der Zentrale des NATO-Bündnisses, zu. Schmunzeln ruft beim Leser z.B. der Abschnitt „Unter fremder Flagge auf einem NATO-Symposium“ hervor, der beweist, daß zur angestrengten  planmäßigen Arbeit unter komplizierten Bedingungen manchmal auch ein wenig Glück und das Wirksamwerden eines Zufalls gehören.

Eine neue Spezifik erhielt diese Tätigkeit in der Periode der  internationalen Entspannung, aus der sich eine Vielzahl von vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen wie Manöver- beobachtungen und überraschende Inspektionen ergaben. Auf diesem Nährboden entwickelt sich auch mancher persönliche politische Zwiespalt, quälendes Nachdenken, ja ein gewisser realpolitisch unterfütterter Umdenkungsprozeß beim Autor, ohne daß die persönliche Grundauffassung zerbrach. Auch der 1990 drei Monate dauernde Dienst  in der Uniform der Bundeswehr und die unbekannten Schwierigkeiten des Suchens nach einem „Nach-Wende-Job“, die schließlich  zu einer Tätigkeit bei der Kriegslasten-Entsorgung führten, mußten auf dieser Grundlage bewältigt werden.


*)  Zum Thema der Auslandsaufklärung im allgemeinen und der Tätigkeit der Militärattachés im besonderen siehe auch:

    Wegmann, Bodo, Die Militäraufkläring der NVA; Biedermann, Bernd u.a., Die Militäraufklärung der DDR - ehemalige Aufklärer

    berichten. Im Zentrum und im Einsatz; beide Verlag Dr. Köster, Berlin