Prof. Dr. habil. Walter Hundt


Referat  auf dem Quadrilog „Neue entwicklungspolitische Herausforderungen in einer sich wandelnden Welt“, Bonn 4./5.3. 1994, Nachdruck in: Ulrich van der Heyden, Ilona Schleicher und Hans-Georg Schleicher (Hrsg.): Engagiert für Afrika. Die DDR und Afrika II, Münster, Hamburg 1994, S. 31-48


Abbruch - Umbruch - Aufbruch? Brandenburgische Beziehungen mit Afrika


Eine historische Reminiszenz


Im Januar 1994 konnte der überraschte Brandenburger in seinen Tageszeitun­gen Erstaunliches lesen. "Afrikanischer Goldrausch erfaßt von Brandenburg aus jetzt Deutschland. Nugget-Fieber treibt Brandenburger von Großbeeren nach Ghana", hieß es da reißerisch. Und unter "leichter" Manipulation der Fakten meldeten andere Journalisten: Goldbergbauprojekt in Ghana unter Regie Bran­denburgs. Großbeerener Unternehmer will 200 Tonnen Gold abbauen. Diaman­ten als Abfallprodukt."

In einem ausführlichen Gespräch mit dem erwähnten Unternehmer lernte der Autor, der auch selbsternannter Chronist der brandenburgischen entwicklungs­politischen Aktivitäten ist, - durch langjährige Dritte-Welt-Erfahrung und Kennt­nis "bemerkenswerter" Prozesse im Land Brandenburg der Nach-Wende-Jahre von einer gewissen mit Neugier gepaarten Skepsis getragen - diesen als einen sich durch bergbauliche Sachkenntnis, durch Optimismus und Risikobereitschaft auszeichnenden Menschen kennen und erfuhr folgende Fakten: Das Unterneh­men, das bereits über Praxiserfahrungen bei der Goldförderung in Bolivien und Kanada verfügt, hat von der ghanesischen Regierung Schürfrechte -Konzessionen auf 15 Jahre für mehr als 100 km2 erworben. Die im Land Brandenburg ansäs­sige Quantec GmbH besitzt derzeit 60% der Anteile an ihrer Tochtergründung Atlantis Mining Company Ltd., 10% sollen zum Verkauf angeboten werden, 10% hält die Regierung Ghanas und 20% nennen zwei ghanesische Geschäfts­leute ihr eigen. Mit Hilfe der Weltbank sollen im besagten Zeitraum 50 Mill. Dollar in den Gold- und Diamantentagebau investiert werden. Das vor Ort aufbe­reitete Rohgold mit einem Reinheitsgrad von 95 % soll in Europa weiterverarbei­tet und auf den Weltmarkt gebracht werden. 180 ghanesische Arbeiter werden beschäftigt und z.T. vorher in Deutschland ausgebildet werden. 20% der Investi­tionen sollen in die örtliche Infrastruktur fließen und dem Bau von Straßen, Brunnen, Wasser- und Elektrizitätsleitungen, Krankenstationen und schulischen Hinrichtungen sowie der anschließenden Rekultivierung des Geländes dienen. Im zweiten Halbjahr 1994 soll das Startsignal gegeben werden.

Der brandenburgischen Landesgeschichte in großen Zügen kundig, versetzt sich der Chronist nach entsprechendem kartographischen Studium um etwa 300 Jahre zurück in die Zeit des in der Regel wenig bekannten brandenburgischen

Wirkens in Westafrika und in der Karibik zwischen 1681 und 17221. Dabei han­delt es sich um Ereignisse, die - wie der Historiker oder der geschichtlich Interessierte weiß - mit Namen wie dem des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I., wie Otto Friedrich Freiherr von der Groeben, Benjamin Raute oder Jan Conny, ge­nannt der "Schwarze Preuße", verbunden sind. Nach einem Vertrag über die Errichtung einer brandenburgischen Handelsniederlassung an der westafrikanischen Küste im Jahre 1681 und der Landung einer von der Brandenburgisch-Afrikani­schen Kompagnie ausgerüsteten Expedition unter dem Kommando von der

Groebens im Folgejahr entstandenen koloniale Niederlassungen Brandenburgs in Gestalt der Festung Großfriedrichsburg an der Goldküste (heute Ghana) - also quasi im Quantec-Schürfgebiet -, auf der Insel Arguin (heute Mauretanien) und eines Stützpunkts auf der Insel St. Thomas in der Karibik.

"Die brandenburgische Kolonialperiode ist Teil des Prozesses der Ausdeh­nung europäischer Macht- und Einflußsphären in den außereuropäischen Bereich, des Versuches der Errichtung und militärischen Absicherung von Handelsposi­tionen, der kolonialen Ausbeutung mit dem Ziel der Vergrößerung der Staatsein­nahmen und der Reichtumsmehrung für das 'Muttterland‘",2 wenn auch mit einer ganzen Reihe bemerkenswerter Spezifika. Letztendliches Ziel war ein gewinn­trächtiger Dreieckshandel (europäische Manufakturprodukte - afrikanische Skla­ven - karibische Agrarprodukte), der allerdings nicht langfristig zu voller Wir­kung gelangte. Schon damals war Großfriedrichsburg Lieferant von Gold und Edelsteinen für die Brandenburger Eindringlinge.

Wie im Verlauf dieses Aufsatzes zu zeigen sein wird, gab und gibt es nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, in der Zeit der DDR und nach der Wende zahlreiche Fäden, die das Land Brandenburg (bzw. die ehemaligen Bezirke Pots­dam, Frankfurt/Oder und Cottbus auf seinem Territorium) auf wirtschaftlichem, kulturellem oder anderem Gebiet mit Afrika verbinden, neben einer Vielzatiksol­cher Beziehungen und Kontakte mit anderen Regionen der sogenannten Dritten Welt. In diesem Zusammenhang erhält die Frage "Abbruch - Umbruch - Auf­bruch?" ihre Berechtigung, die in Brandenburg mit dem Bemühen beantwortet wurde, in die schrittweise Gestaltung einer effektiven Entwicklungszusammenar­beit mit Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika nach Möglichkeit auch nutzbare Potentiale aus der Zeit vor 1990 einzubeziehen. Erschwert wird dies durch die Tatsache, daß kaum jemand irgendwo im heutigen Land Brandenburg in den Jahren vor 1990 diesbezügliche umfassende, überregionale und übersekto­rale Aufzeichnungen angefertigt hat. Einen Versuch, dem zumindest ansalzweise abzuhelfen, unternahmen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe des Projekts "Brandenburg in der Dritten Welt" in Potsdam3, worauf sich die folgenden Aus­führungen weitgehend stützen, begrenzt auf den afrikanischen Komplex.


Brandenburg und Afrika vor 1990


Entwicklungen in den das heutige Land Brandenburg ausmachenden Bezirken Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus in den Jahren der Existenz der DDR auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe (die Begriffe Entwicklungspolitik und erst recht Entwicklungszusammenarbeit wurden bekanntlich nahezu nicht gebraucht) ­darunter auch die Afrika betreffenden Aktivitäten - sind naturgemäß nur richtig zu werten und zu verstehen, wenn sie in entsprechende Zusammenhänge und Prozesse der gesamten DDR als zentralistisch geführter Staat, in dem die Richtli­nienkompetenz der Partei im allgemeinen und ihres Politbüros im besonderen die ausschlaggebende Rolle spielte, eingeordnet wird. Afrika fand in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Beschlüssen, Dokumenten und Reden führender Poli­tiker Erwähnung, was durch eine Vielzahl von durch Spitzenfunktionäre geleite­ten Delegationen nach und aus Ländern des afrikanischen Kontinents unterstri­chen wurde.

Dennoch spielten bei der Ausgestaltung der Beziehungen auf zentraler Ebene in zunehmendem Maße die aus den ökonomisch-finanziellen Rahmengegebenhei­ten abgeleiteten Grenzen eine spürbare und sichtbare Rolle. Hinzu kam, daß bei aller repräsentativer Attraktivität von Beziehungen mit Staaten der Dritten Welt-besonders in der Phase des durch die westdeutsche Hallstein-Doktrin ausgelösten Ringens um die diplomatische Anerkennung der DDR - und der Tatsache, daß diese in erster Linie auf politische Interessenlagen ausgerichtet waren, Entwick­lungspolitik relativ weit hinten in der Prioritätenskala der SED-Führung und da­mit der Regierung, ihrer Ministerien und und Einrichtungen rangierte. Dies schuf indirekt tendenziell die Möglichkeit einer gewissen Ausdehnung des Spielraums auf unteren Ebenen bis hin zu Betrieben. Nach wie vor gibt es keinerlei allumfas­sende Erschließung, geschweige denn Darstellung und Wertung der ungezählten Afrika-Aktivitäten auf allen Ebenen und in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, was demzufolge auch auf das Gebiet des heutigen Landes Brandenburg zutrifft.


Dies unterstreicht, daß die an sich absolut zentralistisch-dirigistisch angelegte Grundstruktur der DDR – selbstverständlich auch im Bereich Außenpoli­tik/Außenhandel/Entwicklungspolitik - auf einer bestimmten Stufe nicht mehr zur vollständigen Lenkung und Leitung sowie Kontrolle dieses Bereichs in der Lage war. Hinzu kam der auch auf diesem Gebiet stark enwickelte Hang zur Geheim­niskrämerei. Afrika-Beziehungen unterlagen nicht selten einem damals und erst recht heute nur schwer zu verstehenden Geheimhaltungsgrad, obwohl gerade hier viele Fakten einer gewissen Aufpolierung des internationalen Image hätten dienen können. Für die Schaffung eines generellen Überblicks kamen auch staatliche Anstrengungen in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu spät, die auf die Einrichtung eines in der Staatlichen Plankommission basierten obligatorischen Arbeits-, Melde- und Abrechnungssystems für staatliche und nichtstaatliche Institutionen und auf die Durchsetzung einer Richtlinie für die Koordinierung und Abrechnung von Hilfeleistungen gegenüber Entwicklungsländern gerichtet waren. Die ver­waltungsmäßige Zentralisierung mußte im Republikmaßstab scheitern und kam auf bezirklicher Ebene erst gar nicht zum Tragen, abgesehen davon, daß Kirchen (und z. T. andere nichtstaatliche Träger von Afrika-Aktivitäten) kaum bereit wa­ren, sich einer diesbezüglichen administrativen Kanalisierung und Gängelung zu unterwerfen. Damit fehlen in der Regel in allen einschlägigen gesamtstaatlichen Bilanzversuchen ungezählte bezirkliche, kommunale und andere lokale Aktivitä­ten.

Da Afrika-Aktivitäten vorrangig in den Solidaritätskomplex eingeordnet wur­den, ergab sich in der Regel zwangsläufig der bekannte Effekt einer weitgehen­den Ideologisierung, der nicht für alle Beteiligten akzeptabel war. Dennoch trug andererseits - wie viele ehrlich bemühte Analytiker aus den alten Bundesländern heute zugestehen - die Solidaritätsidee, die vom Kindergarten angefangen in kon­zentrischen Kreisen bis in die Arbeits- und Militärkollektive hineingetragen wurde und eine wichtige Rolle spielte, ganz wesentlich zur Schaffung bestimmter positiver Verhaltensweisen, Einstellungen und Motivierungen für weiteres Han­deln von großen Teilen der Bevölkerung bei. Vielfach ist dies noch heute bei vielen unserer Menschen zu erleben, die in Brandenburg "Afrika-Arbeit" leisten. Eine spürbare Sensibilität für Belange der Menschen in der Dritten Welt, in der uns Afrika geographisch am nächsten ist, erscheint auch unter den völlig neuen Bedingungen förderlich nutzbar, wenngleich sich die oftmals anzutreffende pau­schale Verurteilung und globale Diskriminierung dessen, was unsere Menschen vor 1990 diesbezüglich geleistet haben, zumindest partiell verheerend ausgewirkt hat.

Am Gesamtspektrum brandenburgischer Beziehungen mit Afrika und am ge­nerellen Sich-Beschäftigen mit Afrika betreffenden Fragen und Problemen wirk­tenwßgeblich auch die Kirchen und eine - wenn auch damals relativ kleine - Zahl nichtstaatlicher Gruppen außerhalb des enggestrickten Netzes in der Liga für Völkerfreundschaft und ihrer verschiedenen Freundschaftsgesellschaften so­wie des Solidaritätskomitees der DDR mit, beispielsweise die heutige Potsdamer Gruppe tierra unida, die 1983 als Tanzania-Arbeitskreis in enger Anlehnung an eine Kirchengemeinde entstand, oder eine Reihe Aktivitäten im Rahmen des Netzwerkes Information-Koordination-Tagungen (INKOTA). So wurden schon damals Projekte betrieben, meist in bescheidenem Ausmaß, Spendenaktivitäten entfaltet und wertvolle Afrika-bezogene Bildungs- und Informationsarbeit gelei­stet, die sicher manchen Basisstein für die Zeit nach 1990 gelegt haben. Nicht

selten kam es dabei zu einer durch die Gegebenheiten erzwungenen "Kombination" von betonter staatsferner Unabhängigkeit und pragmatischer Ko­operation, zumindest in Teilfragen, mit dem Staat und den großen staatsnahen "Zentralen" der Afrika-Arbeit.

Im folgenden möchten wir uns dem großen Bereich der (brandenburgischen) Industrie- und Handwerks-betriebe und ihren entsprechenden Aktivitäten in Afrika zuwenden. Viele dieser Betriebe und ihre Mitarbeiter waren es, die in zahlreichen afrikanischen Staaten vor Ort mit großem Engagement und Einsatzbereitschaft nicht selten unter kompliziertesten Bedingungen Entwicklungshilfe praktizierten, vielfach in engster Kooperation mit den dortigen Partnern und ungeachtet man­cher politisch-bürokratischer Hemmnisse, die von Berlin aus aufgebaut wurden. Viele Brandenburger Betriebe schufen sich für diese Zusammenarbeit spezielle Bereiche und Verwaltungsstrukturen. Sie verfügten über einen qualifizierten Ex­pertenstab, der sich zunehmend Afrika-Erfahrung, Landes- und Fremdsprachen­kenntnisse aneignete. Daneben wurde viel Kraft auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung von Absolventen der Berufs-, Fach- und Hochschulen aus afrika­nischen Staaten in der DDR bzw. in ihren eigenen Ländern aufgewandt, was sich in der Regel aber auf Großbetriebe und Kombinate konzentrierte, die entspre­chende materielle und Entscheidungsfreiräume nutzen konnten. Es darf nicht übersehen werden, daß gerade solche Aktivitäten nicht problemlos für die Unter­nehmen waren, zumal unter DDR-Bedingungen die Grenzen zwischen "reinem Kommerz" und "reiner Solidarität" in der Entwicklungszusammenarbeit recht fließend waren.

Brandenburger Wirtschaftsbetriebe hatten in der Entwicklungszusammenar­beit mit afrikanischen Ländern keineswegs spezifische Bedingungen, wenngleich sich offensichtlich der Standortvorteil, d.h. die geographische Nähe zu den Zen­tralen in Berlin, und das industrielle Süd-Nordgefälle in der DDR förderlich auswirkten. Dennoch sind exakte quantitative Aussagen - bezogen auf die drei brandenburgischen Bezirke und über vier Jahrzehnte - nahezu unmöglich (was in vieler Hinsicht übrigens auch auf statistische Gesamtangaben für die DDR zu­trifft!). Der Hauptanteil von Aktivitäten in Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinimerikas entfällt auf eine leistungsfähige Gruppe von etwa 20 bran­denburgischen Industrieunternehmen sowie die drei Handwerkammern der Be­zirke, wobei jedoch afrikanische Staaten in der Regel keinen ausgesprochenen Schwerpunkt bildeten.

Zu dieser Gruppe brandenburgischer Unternehmen gehörten Betriebe, die über einen relativ langen Zeitraum an größeren und für die betreffenden Ent­wicklungsländer, aber auch für die DDR bedeutsamen Projekten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit beteiligt waren. Hierbei lag der Schwerpunkt aller-

selten kam es dabei zu einer durch die Gegebenheiten erzwungenen "Kombination" von betonter staatsferner Unabhängigkeit und pragmatischer Ko­operation, zumindest in Teilfragen, mit dem Staat und den großen staatsnahen "Zentralen" der Afrika-Arbeit.

Im folgenden möchten wir uns dem großen Bereich der (brandenburgischen) Industrie- und Handwerks-betriebe und ihren entsprechenden Aktivitäten in Afrika zuwenden. Viele dieser Betriebe und ihre Mitarbeiter waren es, die in zahlreichen afrikanischen Staaten vor Ort mit großem Engagement und Einsatzbereitschaft

nicht selten unter kompliziertesten Bedingungen Entwicklungshilfe praktizierten, vielfach in engster Kooperation mit den dortigen Partnern und ungeachtet man­cher politisch-bürokratischer Hemmnisse, die von Berlin aus aufgebaut wurden.

Viele Brandenburger Betriebe schufen sich für diese Zusammenarbeit spezielle Bereiche und Verwaltungs-strukturen. Sie verfügten über einen qualifizierten Ex­pertenstab, der sich zunehmend Afrika-Erfahrung, Landes- und Fremdsprachenkenntnisse aneignete. Daneben wurde viel Kraft auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung von Absolventen der Berufs-, Fach- und Hochschule aus afrika­nischen Staaten in der DDR bzw. in ihren eigenen Ländern aufgewandt, was sich in der Regel aber auf Großbetriebe und Kombinate konzentrierte, die entsprechende materielle und Entscheidungsfreiräume nutzen konnten. Es darf nicht übersehen werden, daß gerade solche Aktivitäten nicht problemlos für die Unternehmen waren, zumal unter DDR-Bedingungen die Grenzen zwischen "reinem Kommerz" und "reiner Solidarität" in der Entwicklungs-zusammenarbeit recht fließend waren.


Brandenburger Wirtschaftsbetriebe hatten in der Entwicklungszusammenar­beit mit afrikanischen Ländern keineswegs spezifische Bedingungen, wenngleich sich offensichtlich der Standortvorteil, d.h. die geographische Nähe zu den Zentralen in Berlin, und das industrielle Süd-Nordgefälle in der DDR förderlich auswirkten. Dennoch sind exakte quantitative Aussagen - bezogen auf die drei brandenburgischen Bezirke und über vier Jahrzehnte - nahezu unmöglich (was in vieler Hinsicht übrigens auch auf statistische Gesamtangaben für die DDR zu­trifft!). Der Hauptanteil von Aktivitäten in Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas entfällt auf eine leistungsfähige Gruppe von etwa 20 bran­denburgischen Industrieunternehmen sowie die drei Handwerkammern der Be­zirke, wobei jedoch afrikanische Staaten in der Regel keinen ausgesprochenen Schwerpunkt bildeten.


Zu dieser Gruppe brandenburgischer Unternehmen gehörten Betriebe, die über einen relativ langen Zeitraum an größeren und für die betreffenden Ent­wicklungsländer, aber auch für die DDR bedeutsamen Projekten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit beteiligt waren. Hierbei lag der Schwerpunkt allerdings eindeutig im asiatischen Raum (Werkstättenprojekte in Vietnam und Laos; Projekte in der Landwirtschaft und in der Nahrungsgüterindustrie der Mongolei). Verglichen damit spielten Aktivitäten eine relativ untergeordnete Rolle, die der Betrieb Silohochbau und Gewächshaustechnik Werder/Havel als Generallieferant für Ausrüstungen im Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsgüterwirt­schaft in Angola und Mosambik realisierte, oder Lieferungen von Melkanlagen und Milchkühltechnik von Impulse Elsterwerda nach Angola und Mosambik.


Brandenburger Betriebe wurden auch in kurzfristige Aktionen im Rahmen der Katastrophen- und Nothilfe einbezogen. Dies erstreckte sich einerseits auf solche Unternehmen, die aufgrund ihrer Erzeugnispalette für solche Fälle beson­ders geeignet waren, etwa Produzenten von Zelten, Decken, Medikamenten und medizinischem Gerät, Haushaltgeschirr, Milchpulver u.ä..  Hierzu zählten bei­spielsweise die Tuchwerke Forst, das Steingutwerk Elsterwerda und Rheinsberg Keramik. Aus solchen Betrieben wurden Lieferungen von Hilfsgütern in afrikani­sche Kastrophengebiete zusammengestellt, wobei es zu enger Kooperation mit dem Solidaritätskomitee und dem Deutschen Roten Kreuz der DDR, mit 'Brot für die Weit" und mit der INTERFLUG kam. Um Hilfsmaßnahmen zur Bekämp­fung der Hungerkatastrophe in Äthiopien zu erleichtern, installierten Spezialisten des Kranbau Eberswalde kurzfristig Verladeeinrichtungen in dortigen Häfen. Das Energiekombinat Schwarze Pumpe war maßgeblich beteiligt an der Beseitigung der Folgen eines Grubenunglücks in Mosambik Ende der 70er Jahre.

Andererseits war eine größere Gruppe von Betrieben in solche Hilfseinsätze einbezogen, deren Erzeugnisse zwar dafür nicht geeignet waren die aber durch ihre betriebliche Potenz (Unternehmensgröße und Beziehungsgeflecht) und nicht zuletzt durch ein besonders hohes Spendenaufkommen ihrer Belegschaften eigene Solidaritätsaktionen - eingeordnet in das bestehende System - organisierten. In den letzten Jahren reagierte man dabei sichtbar auf Forderungen der Belegschaf­ten nach mehr Transparenz bei Solidaritätsspendenaktionen. Das Spektrum reichte bis zur Organisierung und Finanzierung von Ferienlagern in Brandenburg für Kinder aus afrikanischen Katastrophen und Bürgerkriegsgebieten.

Eine dritte Form des wirtschaftlichen Einbezogenseins war die der rein kommerziellen Exporte (was immer das unter DDR-Bedingungen hieß) branden­burgischer Industriebetriebe in afrikanische Staaten. Diese Exporte wurden z.T. staatlich subventioniert. Die damit verbundenen Serviceleistungen gegenüber den afrikanischen Partnern gingen vielfach weit über international übliche Standards hinaus und waren nicht selten mit einem System von Ausbildungsverträgen kom­biniert. Auch dies betraf in erster Linie eine Gruppe relativ großer Brandenbur­ger Betriebe, während ungezählte andere, auch mittlere und kleinere Unternehmen - auf Anhieb nicht direkt auszumachen - über das Außenwirtschaftssystem an Exporten von Finalprodukten nach Afrika beteiligt waren.

Für die eingangs erwähnte Gruppe von Großbetrieben seien einige repräsen­tative Beispiele hervorgehoben. Das IFA-Automobilwerk Ludwigsfelde gehörte zu den bedeutendsten Exportpartnern der DDR für Staaten der Dritten Welt, auf die mehr als 50% der Produktion von LKW der Typen W-50 und L-60 seit Pro­duktionsbeginn 1966 entfielen. Hauptexportländer in Afrika waren Angola, Äthiopien, Ghana, Kamerun, Mosambik, Zambia und Uganda. Die Lieferungen basierten auf staatlichen Kreditabkommen bzw. auf Abkommen mit einer über­durchschnittlich langen Zahlungslaufzeit von bis zu acht Jahren. Kundendienst­verträge waren in der Regel Bestandteil der Lieferverträge. Sie hatten Laufzeiten bis zu 15 Jahren und beinhalteten die kostenlose Betreuung im ersten Jahr, die Ausbildung von Fachkräften in Ludwigsfelde und vor Ort durch DDR-Speziali­sten sowie die Lieferung von Werkzeugen, Werkstattausrüstungen und Schu­lungs- und Lehrmaterialien in den entsprechenden Fremdsprachen. Für afrikani­sche Staaten mit geringer Zahlungsfähigkeit betrug der effektive Kreditzins drei Prozent.

Der LKW W-50 war nach Auffassung von Insidern in bezug auf seine Ro­bustheit und seine Bedienungs-freundlichkeit ein unter den tropischen afrikani­schen Bedingungen in seiner Preisklasse nahezu konkurrenzloses Fahrzeug mit geringer Störanfälligkeit und einfacher Wartung. Spezielle Beziehungen bestan­den mit Angola als dem mit etwa 15.000 Fahrzeugen bei weitem größten Impor­teur von LKW aus Ludwigsfelde in der Dritten Welt. Neben dem IFA-Kunden­dienst und zugleich in Kooperation mit ihm hielt sich bis 1991 eine Brigade des Jugendverbandes in der Stärke zwischen zehn und 30 Jugendlichen im Lande auf, die in der Hauptstadt und in mehreren Außenstellen LKW reparierte und dabei angolanische Arbeiter auf der Grundlage eines speziellen Ausbildungsvertrages ausbildete. IFA gewährleistete für 25 Jahre das Ersatzteilgrundsortiment. Das Ludwigsfelder Werk unterhielt ein ähnliches Projekt in Ghana und war an einem großen Landwirtschaftsprojekt in Äthiopien beteiligt. Bis Anfang 1991 weilten ca. 500 Mitarbeiter aus dem Stammbetrieb und aus verschiedenen Zulieferbetrieben in Entwicklungsländern zur Sicherung von Kundendienstaufgaben.

Der Kranbau Eberswalde errichtete seit der Mitte der 60er Jahre rund 600 Krananlagen in 18 Entwicklungsländern, auf die etwa 15% des betrieblichen Ex­ports entfielen. Einen wichtigen Platz nahmen dabei Angola, Äthiopien und Alge­rien, aber auch Mosambik und Tunesien ein. Grundlage der Mehrzahl der Lie­ferverträge waren zwischenstaatliche Clearingabkommen. Eine Besonderheit die­ses Unternehmens bestand darin, daß es die Organisation des Absatzes und Marktarbeit mit Hilfe einer in Kooperation mit dem zuständigen Exportbetrieb TAKRAF-Import/Export arbeitenden eigenen leistungsfähigen Absatzabteilung selbst betrieb. Die Lieferverträge mit afrikanischen Staaten enthielten weitrei­chende Kundendienst-vereinbarungen, teilweise ergänzt durch Ausbildungsver­träge zur Qualifizierung in Eberswalde und vor Ort. Nicht selten nahmen bis zu 300 Arbeitskräfte aus Entwicklungsländern an solchen Ausbildungsmaßnahmen teil. In vielen Fällen wurden afrikanische Unternehmen in die Projektumsetzung einbezogen.

Als drittes Beispiel soll das damalige Energiekombinat Schwarze Pumpe Er­wähnung finden, das auf äußerst vielgestaltige Weise mit zahlreichen Entwick­lungsländern verbunden war. Dieses Brandenburger Industriekombinat hatte maßgeblichen Anteil an der Ausbildung von Fachkräften aus Staaten der Dritten Welt, erbrachte ingenieurtechnische Leistungen in Gestalt von Technologieexport und war beteiligt an der Lieferung von technischen Ausrüstungen. Ein bemer­kenswertes Beispiel war das Steinkohlenbergbauprojekt Moatize in Mosambik, in dem das Kombinat ab 1979 als faktischer Generalauftragnehmer beim Wieder­aufbau, bei der Erweiterung und Modernisierung des Kohleförderbetriebes fun­gierte. Von seiten der DDR bestand Interesse am Import hochwertiger und preis­günstiger Steinkohle - eine Rechnung, die allerdings langfristig nicht aufging. Zeitweilig waren bis zu 150 Ingenieure und Spezialisten aus dem brandenburgi­schen Unternehmen als Angestellte des mosambikanischen Staatsbetriebes tätig. Das Kombinat erbrachte darüber hinaus ingenieurtechnische Leistungen in Höhe von zunächst etwa 1,4 Mill. Dollar, später etwa noch 700.000 Dollar im Jahr, zu staatlich garantierten und vergünstigten Kreditkonditionen, die Bestandteil ent­sprechender Clearingabkommen waren.

An das Moatize-Projekt waren jährliche kostenlose Leistungen aus dem DDR-Solidaritätsfonds in Höhe von Mark der DDR (M) 0,3 bis M 0,5 Mill. ge­knüpft, mit deren Hilfe z.B. das Sozialzentrum mit Versorgungs-einrichtungen, Großküche und Sportanlagen (ca. M 1,5 Mill.) errichtet und finanziert wurde, das für die Grubenarbeiter bestimmt war. Die Entwicklung des Bürgerkriegs führte zur Einstellung des Projekts 1989 und zur Übergabe der Gruben in kon­serviertem Zustand, der eine schnelle Wiederingangsetzung unter veränderten Bedingungen ermöglichen sollte.

Andere afrikanische Projekte des Energiekombinats Schwarze Pumpe er­streckten sich auf die Errichtung eines Ausbildungszentrums in Zawia in Libyen und auf die Ausbildung von 30 Lehrlingen aus Zimbabwe zwischen 1985 und 1988.

Einen weiteren Bereich relativ breiter entwicklungspolitischer Aktivitäten auf dem Territorium des heutigen Landes Brandenburg für Menschen aus afrikani­schen Staaten stellte die Tätigkeit der Hoch- und Fachschulen sowie anderer Bildungseinrichtungen dar, an denen zumeist junge Menschen Möglichkeiten der Ausbildung und Qualifizierung wahrnahmen. Sie erreichten entsprechende Ab­schlüsse (Diplome, Staatsexamen, Zertifikate), absolvierten fachspezifische Praktika und promovierten z.T. Der Spezifik der Einrichtungen und ihrer Aus­bildungsprofile entsprach eine bemerkenswerte Vielfalt der Studien- und Ausbil­dungsformen. An dieser Stelle kann nur auf einige repräsentative Beispiele ein­gegangen werden.

International anerkannte Ausbildungsstätten für Medienspezialisten (mit Aus­länderstudium bzw. ausschließlich zu deren Ausbildung geschaffen) waren - und sind noch heute - die Hochschule für Film und Fernsehen (IWF) in Potsdam und das Internationale Institut für Journalistik (IIJ in Dahlwitz-Hoppegarten, in deren Absolventenverzeichnis sich Hunderte von Studenten aus Ländern der Dritten Welt eingetragen haben, unter ihnen besonders viele aus afrikanischen Staaten.

Diesen Ländern konnte spürbar geholfen werden, ihre personellen, strukturellen und technisch-materiellen Defizite, die sich vielfach aus der Kolonialzeit ergaben, zu überwinden und sich unabhängige, eigene Mediensysteme zu schaffen. Absolventen beider Einrichtungen stärkten das fachliche Potential afrikanischer Länder in der Kinematographie, bei Fernsehen und Hörfunk, in der Presse und in ihren nationalen Nachrichtenagenturen.

So bildete die HFF seit 1955 fast 200 Studenten aus etwa 50 Entwicklungs­ländern aus. Diese studierten - zumeist mehrjährig - in den Fachrichtungen Regie, Kamera sowie Film- und Fernsehtechnik, einige wenige Produktion oder Filmwissenschaft. Die für Auslandsstudenten attraktiven Möglichkeiten des Stu­diums auf der Grundlage individueller Studien- und Förderprogramme und recht gute soziale Bedingungen machten die HFF zu einer in Afrika beliebten Ausbildungsstätte. Ab Mitte der 80er Jahre setzte die Hochschulleitung nach langem Ringen mit dem staatlichen Apparat auch Berufspraktika beim DDR-Fernsehen für ausländische Studierende durch. Dem Studium ging ein einjähriger Kurs zum Erlernen der deutschen Sprache voraus. Afrikanische Absolventen wurden in ein System intensiver Nachkontaktpflege einbezogen, das in der DDR durchaus nicht typisch war. Viele von ihnen nehmen heute in ihren Ländern herausragende Spit­zenpositionen im kulturellen bzw. kulturpolitischen Bereich ein.

Am IIJ - 1963 als "Schule der Solidarität". gegründet und aus dem Solidari­tätsfonds der Journalisten der DDR sowie aus freiwilligen Spenden der Bevölkerung finanziert - absolvierten bis 1991 1.192 Teilnehmer aus 79 Entwicklungs­ländern Lehrgänge unterschiedlicher Dauer, unter ihnen vor allem eine große Zahl aus Afrika. Afrikanische Kursanten kamen aus Angola, Ghana, Kamerun, Kenia, Kongo, Lesotho, Liberia, Mali, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Zambia, Zimbabwe, Somalia, Südafrika, Tanzania, Uganda, Zaire und aus der Zentralafrikanischen Republik. Daneben wurden zahlreiche Spezialseminare und internationale wissenschaftliche Konferenzen durchgeführt, die vor allem von Vertretern aus Afrika stark frequentiert wurden. Ein Vorzug des IIJ war, daß es seine Unterrichtstätigkeit in geeigneten Mittlersprachen durchführte, so daß kein Deutschunterricht erforderlich war, was eine intensive fachliche Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Zeit ermöglichte. Gleiches trifft auf die genutzten Lehrmaterialien zu. Die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit der afrikanischen Herkunftsländer machte von vornherein alle Versuche einer politisch-ideologi­schen Uniformierung nahezu unmöglich.

Den Schwerpunkt der Ausbildung afrikanischer Studenten bildeten Theorie und Geschichte der Massenkommmunikation, journalistische Methodik und redaktionelles Management, Journalismus in elektronischen und Printmedien, fachspezifischer Journalismus sowie die Ausbildung zu Journalistiklehrern. Dabei war - durchaus keine Selbstverständlichkeit an DDR-Hochschuleinrichtungen - die Ausbildung an den Bedürfnissen in den jeweiligen afrikanischen Herkunfts­ländern orientiert und berücksichtigte Spezifika wie Fragen der Journalistik im bäuerlich-ländlichen Raum u.ä. Allerdings gab es dabei auch gewisse Hinder­nisse, bedingt durch DDR-Tabuthemen. Großen Raum nahm - in den 80er Jahren zunehmend - die praktische technische Qualifikation ein.

Ab 1968 entsandte das Institut auch eigene Dozenten und Experten aus der Praxis in afrikanische Länder, um sich an der Durchführung nationaler Veranstaltungen unterstützend zu beteiligen. Das Institut leistete Hilfe und Unterstützung beim Aufbau nationaler journalistischer Ausbildungsstätten, u.a. in Angola, Mosambik und Tanzania. Eine breite Zusammenarbeit mit afrikanischen nationalen und regionalen Journalistenverbänden und dem Afrikanischen Rat für Kom­munikationsausbildung (ACCE) mit Sitz in Nairobi ergab sich naturgemäß. Mit dem ACCE gemeinsam wurde die Ausarbeitung eines Lehrbuchs "Journalistische Ethik in Afrika" in Angriff genommen.

Auch verschiedene akademische ''Vorläufer" der heutigen Universität Pots­dam unterhielten Beziehungen zu afrikanischen Ländern. An der seinerzeitigen Pädagogischen Hochschule Potsdam erfolgte die Betreuung von Aspiranten, die von ihren Hochschulministerien delegiert wurden. Seit 1975 absolvierten afrika­nische Studenten bzw. Kursanten Studiengänge von verschiedener Dauer in der Fachrichtung Staats- und Rechtswissenschaft an der damaligen Potsdamer Aka­demie für Staats- und Rechtswissenschaft und in der Fachrichtung Internationale Beziehungen/Außenpolitik am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam. Eine kleine Zahl von Absolventen, z.B. aus Angola, war in die deutschen Studi­engruppen unter gleichen Bedingungen integriert; unter den Aspiranten befand sich auch ein äthiopischer Promovend.


Die Mehrzahl der afrikanischen Studierenden, die zumeist aus "Ländern mit sozialistischer Orientierung" kamen, durchlief eigens für sie eingerichtete Wei­terbildungslehrgänge mit einer Dauer von einem Monat bis zweieinhalb Jahre. Solche Lehrgänge fanden für Studierende aus Äthiopien, Angola, Benin, Guinea-Bissau, den Kapverden, Kongo, Mosambik und Somalia sowie des südafrikani­schen ANC statt. Das Studium vollzog sich auf der Basis zwischenstaatlicher Abmachungen. Die Studenten verfügten in der Regel bereits über praktische Er­fahrungen aus der Tätigkeit in staatlichen Organen und Institutionen ihrer Hei­matländer. Gelehrt wurden Staats- und Rechtstheorie, Staatsrecht von Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, Verwaltungsrecht, Verwaltungsorgani­sation, Internationale Beziehungen, später auch ökonomisch geprägte Disziplinen wie Territorialplanung u.ä.. Naturgemäß war hier die ideologieträchtige Einflußnahme vor allem über das Fach Grundlagenstudium (Marxismus-Leninismus), besonders naheliegend. Allerdings galt auch in der Lehre das strenge Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Herkunftsländer. Die Lehrkräfte waren bemüht, Wissen in der Anwendung auf Bedingungen der Ent­wicklungsländer zu vermitteln.

Afrikanische Kursanten wurden auch an der Medizinischen Fachschule Pots­dam ausgebildet.

Daneben führten auch die Bezirksparteischulen der SED in Potsdam, Frank­furt/Oder und Cottbus, die Gewerkschaftshochschule des FDGB in Bernau (bereits seit Anfang der 60er Jahre), die Jugendhochschule der FDJ Bogensee und Schulen der bewaffneten Organe in den Bezirken des heutigen Landes Bran­denburg Lehrgänge für ausländische Teilnehmer, vorrangig aus afrikanischen Staaten, durch.


Brandenburg und Afrika nach 1990


Anfang der 90er Jahre standen im Land Brandenburg - wie in allen neuen Bundesländern - wirtschaftliche und soziale Sorgen und Probleme bei Bevölke­rung und Politikern im Mittelpunkt politischen Nachdenkens und Handelns. Den­noch gab es Brandenburger "Dritte-Welt-Enthusiasten", die die Auffassung vertraten, daß es auch oder gerade unter den neuen Bedingungen nach der Wende ein gesellschaftliches Erfordernis ist, sich mit der Dritten Welt, mit den Bezie­hungen zu den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas und den bestehenden generellen und globalen Wechselbeziehungen zu beschäftigen, da dies notwendig und nützlich für den Süden, nicht zuletzt aber auch für den Norden selbst ist. Es gab Auffassungen, daß trotz allem entwicklungspolitische Gedanken und Aktivi­täten in Brandenburg unverzichtbar seien, zumal das Land über eine ganze Reihe durchaus beachtenswerter Anknüpfungspunkte für Entwicklungspolitik / Entwicklungszusammenarbeit aus vergangenen Jahrzehnten verfügte, darunter die erwähnten "Afrika-Kontakte'.

Als Aktivposten boten sich - neben den vielen neuen Faktoren und Elementen - die vorhandenen Menschen mit Afrika-Erfahrung und einem entsprechenden Know-how in dieser oder jener direkten oder indirekten Form und eine in gewis­ser Hinsicht für afrikanische Probleme sensibilisierte Öffentlichkeit mit nutzbaren Interessen und einer partiellen - hier und da zeitweilig zurückgedrängten - Bereit­schaft zum Tätigwerden an. Ein besonders im Potsdamer Raum zwischen 1989 und 1991 in mühevollen Auseinandersetzungen erneuertes, aber auch auf ver­wertbarem, durch die Entwicklung bestätigtem Wissen basierendes wissenschaf­tliches Hinterland bot sich am Aktivisten gab es in einzelnen Basisgruppen, am in der Wendezeit entstandenen Potsdamer "Offenen Tisch Entwicklungspoli­tik/Ausländerfragen" und in der neu gebildeten Arbeitsgruppe "Brandenburg in der Dritten Welt" an der Universität Potsdam (später aus deren Strukturen her­ausgelöst), die bald zu einem effektiven Zentrum entwicklungspolitischer Aktivi­täten im ganzen Land Brandenburg wurde und in deren konzeptionellen Schwer­punkten Afrika von Anfang an einen wichtigen Platz einnahm. Von ihr initiiert kam es zur Gründung des Nord-Süd-Forums Potsdam, bei dem auf eine Reihe von Afrika-Aktivisten mit am Tisch saßen. Mobilisierte Unterstützung in Landes­regierung und Landtag, in der Wirtschaft (wenn auch in bescheidenem Maße), im kulturell-wissenschaftlichen und im kirchlichen Bereich sowie bei kleinen und großen Nichtregierungsorganisationen ermöglichte es, daß ein brandenburgischer Neuansatz nicht bei Null und nicht in einem völligen entwicklungspolitischen Va­kuum stattfand.

In der erklärten Politik der neuen Landesregierung und in den Ansätzen ihrer Umsetzung zeichnete sich recht bald ab, daß sie sich einem entwicklungspoliti­schen Grundanliegen verpflichtet fühlt. Das Kabinett war sichtlich bemüht, Fra­gen der Entwicklungszusammenarbeit entsprechend den sich derzeit ergebenden Möglichkeiten in die Gesamtpolitik einzugliedern und eigenständige Beiträge zu leisten, wobei sehr schnell ein deutlicher Widerspruch zwischen politischem Willen und finanziellen Gegebenheiten sichtbar wurde. Im Landtag war bisher im Prinzipiellen ein entwicklungspolitischer Grundkonsens aller Parteien festzustel­len, wenngleich die verschiedenen Fraktionen bei bestimmten Maßnahmen, dar­unter erste Schritte zur Unterstützung des Wirksamwerdens in afrikanischen Staaten, recht unterschiedliche Aktivität entwickelten. Als ermutigend ist die Tä­tigkeit des auf Forderung verschiedener Gruppen durch Initiative des Minister­präsidenten geschaffenen Nord-Süd-Beirats beim Landtagspräsidenten zu bewer­ten, in dessen Beratungen auch Fragen der Afrika-Arbeit unterschiedlicher Art eine Rolle spielten. Auch einzelne Abgeordnete waren an Afrika-Projekten beteiligt oder initiierten diese sogar (Schul- und Schulmöbelbau in Tanzania, Lepra-Hilfe, Schulpartnerschaften, Finanzierung eines Gesundheitszentrums in Mali u.a.m.). Unter den ausländischen Delegationen, die das Land Brandenburg be­suchten, waren solche aus Ägypten, Benin, Lesotho und Mosambik sowie die Staatsoberhäupter Botswanas und Nigerias sowie Friedensnobelpreisträger Erzbi­schof Tutu aus Südafrika. Abgeordnete des Brandenburger Landtags weilten u.a. in Mali, Tanzania und Südafrika.


Seitens der brandenburgischen Städte und Gemeinden gibt es bisher keine Ansätze kommunaler Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Kommu­nen, abgesehen von einem Versprechen des Potsdamer Magistrats, eine Städte­partnerschaft mit Accra zu prüfen. Das trifft auch auf die kommunalen Spitzen­verbände im Lande zu. Auch in der entwicklungspolitischen Arbeit der Gewerk­schaften und der brandenburgischen politischen Parteien spielt Afrika derzeit na­hezu keine Rolle, wenn man von persönlichen Aktivitäten einzelner Abgeordne­ter absieht. Aktivitäten der großen staatlichen und quasi-staatlichen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit bezüglich der Vorbereitung von Fachkräften für einen Einsatz in afrikanischen Ländern kommen erst allmählich zum Tragen. So befinden sich derzeit junge Brandenburger, delegiert vom Deutschen Ent­wicklungsdienst (DED) bzw. der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), in Niger und Sudan. Die Landesstelle der Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) war in Zusammenarbeit mit der Vereinigung afrikanischer Geophysiker an einem Fortbildungsprogramm in der Elfenbeinküste beteiligt, an dem 20 afri­kanische Staaten teilnahmen. Die CDG übernahm auch die Betreuung einer Reihe afrikanischer Stipendiaten, die seinerzeit von der DDR zur Ausbildung an Brandenburger Fach- und Hochschulen eingeladen worden waren und so ihr Stu­dium beenden können. Auch Praktikumsplätze konnten in diesem Rahmen in Brandenburger Betrieben und Einrichtungen bereitgestellt werden.

Was die Brandenburger Wirtschaft anbelangt, so wurde die Mehrzahl der Betriebe, darunter sehr viele mit konkreter Erfahrung aus der Afrika-Zusam­menarbeit, entweder privatisiert oder abgewickelt. Das führte in der Regel zu Strukturveränderungen, bei denen die Afrika-erfahrenen Verwaltungsbereiche und Fachkräfte auf der Strecke blieben. Betriebsarchive, in denen sich auch die "afrikanischen" Unterlagen befanden, wurden in vielen Fällen vernichtet oder be­finden sich in einem Zustand, der eine sinnvolle Nutzung ausschließt. Die seiner­zeit für afrikanische Auszubildende geschaffenen relativ großen Berufsausbil­dungsbereiche haben zumeist aufgehört zu existieren oder stehen für diesen spe­zifischen Zweck nicht mehr zur Verfügung.

Generell ist das Engagement besagter Betriebe im Bereich Dritte Welt extrem zurückgegangen oder ganz verschwunden. Ausbildungsverpflichtungen von Industrie- und Handwerksbetrieben gegenüber afrikanischen Ländern wurden in den meisten Fällen zu Ende geführt, vielfach mit fremder finanzieller Absicherung. Die Fortsetzung solcher Ausbildungsformen und die Nutzung entsprechender Er­fahrungen steht derzeit nicht zur Debatte. Einem Interesse bestimmter noch exi­stierender Betriebe an der Wiederbelebung früherer Beziehungen mit afrikani­schen Partnern steht heute eine Vielzahl von mit der konkreten Situation in den neuen Bundesländern und den Erfordernissen einer erfolgreichen Umstellung auf die Marktwirtschaft im Zusammenhang stehenden Hindernissen im Wege (ungeklärte Eigentumsfragen, Personalabbau, Kreditprobleme, Exportbehinde­rungen, Konkurrenz-auswirkungen u.a.m.). Hinzu kommen Unsicherheiten und Instabilität auf afrikanischer Seite. Verunsichert sind auch die drei brandenburgi­schen Handwerkskammern, einstmals eine wichtige Stütze entwicklungspoliti­scher Aktivitäten. Hier lassen sich derzeit (noch) keinerlei Ansatzpunkte für die Fortsetzung oder für ein Neuingangsetzen von Maßnahmen der Entwicklungszu­sammenarbeit mit afrikanischen Partnern erkennen.

Viele Projekte Brandenburger Betriebe aus der Zeit vor 1990 wären unter den heutigen Bedingungen marktwirtschaftlicher Realität, die bar jeder Ideologi­sierung einschließlich des damals durchaus nicht widerspruchsfrei gepflegten So­lidaritätsgedankens ist, undenkbar und nicht mehr aufrecht zu erhalten. Aber wirtschaftliche Beziehungen auf der Basis der neuen Gegebenheiten kommen zwischen brandenburgischen und afrikanischen Partnern bisher nicht oder nur in ganz geringfügigem Maße zustande.

Im brandenburgischen Außenhandelsgeschehen nehmen afrikanische Staaten ­vor der Wende traditionell ein beachtenswerter Faktor - derzeit nur einen unter­geordneten Platz ein (Export 1991: DM 36,92 Mill.; 1992: DM 37,45 Mill.), vor allem im Import (1991: DM 0,83 Mill.; 1992: DM 0,64 Mill.). Unter den zehn wichtigsten brandenburgischen Außenhandelspartnern in der Dritten Welt be­fanden sich nach 1990 importseitig keine afrikanischen Länder, den Export be­treffend 1991 Nigeria und Ägypten, 1992 Nigeria, Marokko und Libyen. Augen­blicklich sind etwa zwischen 100 und 200 brandenburgische Unternehmen außenwirtschaftlich in irgendeiner Form mit Entwicklungsländern in Kontakt, allerdings mit sehr großen Unterschieden hinsichtlich des Volumens, der Laufzeit und der Kontinuität der Geschäftsbeziehungen.

Die für die Zeit vor 1990 als Repräsentanten brandenburgischer Afrika-Akti­vitäten genannten Großunternehmen, für die die oben getroffenen allgemeinen Aussagen voll zutreffen, haben augenblicklich kaum noch nennenswerte diesbe­zügliche Maßnahmen aufzuweisen. Für einige von ihnen hat sich - was die Dritte Welt betrifft - der Schwerpunkt in den asiatischen Raum verlagert (z. B. Ener­giewerke Schwarze Pumpe AG und Kranbau Eberswalde GmbH). Die IFA-Gesellschaft für Internationalen Fahrzeughandel mbH Ludwigsfelde lieferte 1991 und 1992 über Hilfsorganisationen kleinere Posten an Ersatzteilen für die LKW W-50 und L-60 nach Angola und Mosambik. Eine an sich notwendige Vereinba­rung über die Deckung des riesigen Ersatzteilbedarfs in Angola kam bisher ­trotz gewaltiger Lagerbestände in Ludwigsfelde - nicht zustande. Äthiopien und Mosambik erhielten Lieferungen im Rahmen eines Weltbankprojekts. Über Lie­ferungen nach Zambia sind Verhandlungen im Gange. Große Schwierigkeiten be­reiten Konkurrenz-manipulationen von Unternehmen, die IFA-Ersatzteilbestände im Ausland an sich bringen konnten.

Die Impulsa AG Elsterwerda hat ihre Exportpartner in Afrika verloren. Le­diglich im Rahmen von Zulieferungen für eine sächsische Firma konnten ausge­sprochen geringfügige Exportaufgaben für eine landwirtschaftliche Entwicklungs­station in Lubango in Angola realisiert werden. Betriebsteile der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Bielefeld in Teltow und Protzen lieferten auf nicht­kommerzieller Basis durch ABM-Kräfte regenerierte und technologisch ange­paßte technische Ausrüstungsgüter (Werkzeugmaschinen, medizinisch-technische Ausrüstungen für Arztpraxen und Zahnstationen, Krankenhausbetten, Nähma­schinen, Schreibmaschinen, Fahrräder u.a.) mit Hilfe von Transportkostenzu­schüssen öffentlicher Geber in afrikanische Länder, z.B. für ein Lepra-Dorf in Tanzania, ein Flüchtlingslager in Zimbabwe und nach Äthiopien. Es bestehen partnerschaftliche Beziehungen mit verschiedenen Selbsthilfeorganisationen. Die Gemeinnützige Gesellschaft für Maschinen und Textilrecycling mbH Albomonte in Wittenberge, hervorgegangen aus der Konkursmasse des Veritas-Nähmaschi­nenwerkes, arbeitet Näh-, Schreib- und Rechenmaschinen, Vervielfältigungsge­räte, Medizintechnik, Krankenhausbetten, Fahrräder und Alttextilien auf und lie­ferte kostenlos u. a. nach Zimbabwe, Mosambik, Zaire und Angola. Zwei zimbabwische Bürger sollen zu Mechanikern ausgebildet werden. Auf diesem Gebiet sind weitere Betriebe tätig. Die Reifen und Gummi Werke GmbH "Pneumant' Fürstenwalde konnte Reifenlieferungen nach Ghana, Burkina Faso und Äthiopien realisieren.

Auch auf dem Gebiet der Kultur, Bildung und Wissenschaft kamen im Land Brandenburg nach 1990 im Hinblick auf Dritte-Welt-Aktivitäten eine Vielzahl von Prozessen mit unterschiedlichem Gewicht und in unterschiedlichen Bereichen in Gang, von denen viele die Afrika-Problematik berühren. An dieser Stelle kann nur auf einige Beispiele eingegangen werden. In der Lehrtätigkeit und in der For­schung an den Universitäten und Hochschulen des Landes findet sich Afrika erst in einem ausgesprochen geringen Umfang wieder. Für afrikanische Studenten ist die Situation schwieriger geworden, unterliegen sie doch - im Gegensatz zu frü­her - "normalen" Bedingungen wie deutsche Studenten auch.

Die neue Situation begünstigt zweifelsohne finanzkräftigere Studenten, was sich im Ausländerstu­dium drastisch widerspiegelt. Eine gewisse Ausnahmeregelung gibt es derzeit noch an der Universität Potsdam für sieben Studenten aus Angola und Mosam­bik, die noch unter DDR-Bedingungen ihr Studium begonnen haben und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst bzw. der CDG finanzielle Unterstüt­zung erhalten, um das Studium der Politikwissenschaften beenden zu können. Unter den Direktstudenten anderer Fachrichtungen befinden sich solche aus Mo­sambik und Marokko. Am neu gebildeten Studienkolleg bereiten sich derzeit fünf afrikanische Kollegiaten auf ein Studium vor. Ein Teilstudium ohne Abschluß ab­solvieren Studenten aus Nigeria im Bereich Germanistik.

Deutsche Studenten verschiedener Fachbereiche der Universität Potsdam un­ternehmen gegenwärtig Anstrengungen, um ein konkretes Forschungsvorhaben in Zusammenarbeit mit der Universität Daressalam im Rahmen des Programms von Arbeite- und Studienaufenthalten der CDG realisieren zu können. Kontakte wur­den auch zum tanzanischen Department of Zoology and Marine Biology aufge­nommen. Das Vorhaben sieht auch gegenseitigen Studentenaustausch für jeweils mehrere Wochen vor, wobei Forschungsgegen-stand die Landschaftsökologie sein soll. Als einen weiteren afrikanischen Partner betrachten die Potsdamer die Uni­versität Ife-Ife in Nigeria, von der bereits Studenten vorübergehend in Potsdam weilen.

An der Technischen Universität Cottbus studieren z.Z. auch Studenten aus Angola, Ghana und Zimbabwe.

Die neuen Fachhochschulen des Landes beabsichtigen, sich in Zukunft Fra­gen der Dritten Welt stärker zuzuwenden. Die Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen bemüht sich, auch wieder afrikanische Studenten zu immatrikulie­ren. Das Institut für Internationale Journalistik setzte auch nach der Wende seine überaus erfolgreiche Arbeit fort. 1993 war ein Lehrgang für Rundfunkreporter, Fernsehteams und Journalisten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit aus verschie­denen Ländern Afrikas und Asiens im Programm. Auslandslehrgänge in Ghana und Uganda befinden sich in der Vorbereitungsphase. Das Institut für soziale In­tegration der Europäischen Gemeinschaft in Fichtenwalde bei Potsdam arbeitete ab 1993 aktiv im Europäischen Hilfswerk zur Rettung Somalias mit, um den Wiederaufbau von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zu unterstützen und Inve­storen dafür zu gewinnen.

Mühevolle Anstrengungen werden an den Schulen des Landes unternommen, um Dritte-Welt-Fragen auf den verschiedensten Wegen und mit den unterschied­lichsten Mitteln sinnvoll in die schulische Arbeit einzubeziehen. Auch dabei ha­ben Fragen, die den afrikanischen Kontinent betreffen, ein offenbar zunehmendes Gewicht. Eines der positiven Beispiele stellt das Oberstufenzentrum I in Cottbus

dar, das in einer Dreierpartnerschaft mit dem Bodelschwingh-Gymnasium in Herchen/Nordrhein-Westfalen und mit der Presbyterian Secondary School in Be­songabang in Kamerun verbunden ist. Herchener und Cottbuser Schüler und Lehrer weilten mehrfach zu Arbeitseinsätzen bei den kamerunischen Freunden, die ihrerseits ihren Partnerschulen in Deutschland Besuche abstatteten. Um die­ses Projekt rankt sich eine Vielzahl von Aktivitäten und Maßnahmen der ent­wicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Damit werden Impulse ausgelöst, die weit über die Schulpartnerschaft und Probleme des Landes Kame­run hinausgehen. Für die Bauvorhaben in Besongabang (u.a. Krankenstation, Wasserversorgung und Renovierung der Schule) spendeten inzwischen auch Cottbuser Unternehmen.

Auch an verschiedenen Volkshochschulen in Brandenburg wurde - mit unter­schiedlichem Anfangserfolg - der Versuch unternommen, afrikanischen Proble­men mehr Raum zu geben und sie im Rahmen entwicklungs-politischer Kurse (Potsdam) oder von Einzelveranstaltungen (Stadt Brandenburg, Cottbus u.a.) ein­zubetten. Ähnliche Aussagen können auch zu den im Land Brandenburg erschei­nenden Tageszeitungen, Fernseh- und Hörfunkprogrammen getroffen werden. Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg drehte einen Film über den Einsatz einer Gruppe junger Handwerker, Studenten und Schüler auf der Insel Zansibar. Ausgesprochen vielfältig und bunt ist die Widerspiegelung afrikanischer Pro­bleme in den unterschiedlichen Bereichen des kulturellen Lebens, wobei vielfach afrikanische Mitwirkende einbezogen wurden.

Auch in der Arbeit der etwa 50 neu entstandenen Nichtregierungsorganisatio­nen im Lande Brandenburg spielt Afrika eine wachsende Rolle. Viele von ihnen widmen sich der auf Afrika-bezogenen entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, andere wenden sich auch kleineren Projekten hier oder in einem afrikanischen Land zu, wobei auf das breite differenzierte Spektrum ein­zugehen an dieser Stelle einfach nicht möglich ist. Zu regionalen Koordinie­rungszentren sind dabei die bestehenden Dritte-Welt-Läden geworden, in deren Tätigkeit sehr oft Entwicklungspolitik und Ausländerfragen miteinander verbun­den werden.


Aus der sehr differenziert gestalteten Palette von Afrika-Gruppen und -Initia­tiven seien hier nur erwähnt: die Brandenburgisch-Afrikanische Gesellschaft, der Deutsch-Afrikanische Länderkreis der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesell­schaft, die sich um das erwähnte Zansibar-Projekt und um das Cottbuser Kame­run-Projekt gruppierenden Jugendlichen, die Arbeitsgruppe Mosambik/Tanzania in Klosterfelde, die Tanzania-Arbeitsgruppe der Heilig-Kreuz-Gemeinde Pots­dam, die Initiative "Menschen für Menschen'. (Äthiopien-Hilfe), die Initiative "Alles muß klein beginnen" in Niedergörsdorf (Tschad-Hilfe) oder der Afrika-Arbeitskreis Holzig, aber auch zahlreiche Aktionsgruppen verschiedener kirchli­cher und anderer größerer Trägerorganisationen. Sie alle leisten eine ausgespro­chen wertvolle Basisarbeit.

Schlußbemerkungen


Wie sich zeigt, ist es wesentlich leichter, brandenburgisch-afrikanische Ge­schichte des 17./18. Jahrhunderts zu bemühen, als Beziehungen zu Afrika auf den verschiedensten Gebieten in unseren Tagen zu realisieren, sowohl was die "Mensch-zu-Mensch-Beziehungen" betrifft, als auch die "institutionalisierten Be­ziehungen" des Staates, der Wirtschaft, des kulturellen Bereichs oder der Nicht­regierungsorganisationen. Der Brandenburger Landesregierung und dem Land­tag, aber auch den Kommunen und den politischen Parteien wäre zu wünschen, daß sie der Entwicklungszusammenarbeit einen höheren Stellenwert einräumen und Afrika dabei sinnvoll einordnen. Für die Brandenburger Wirtschaft, Indu­strie, Handwerk und Außenhandel kann Afrika - ausgehend von den erwähnten förderlichen Faktoren, die sich aus der jüngeren Geschichte ergeben - auch in Zukunft von größerem Interesse sein. Sicher bedarf das einer neuen Sicht, einer positiven Einstellung zur entwicklungspolitischen Dimension und einer entspre­chenden - auch durch staatliche Förderung, nicht zuletzt durch Einbeziehung in das GTZ-Auswahlsystem begünstigten - Motivierung der Unternehmen. Im Kul­turbereich - von den Universitäten bis zum kulturellen Leben in den Städten und

Gemeinden sollte der Problemkomplex Entwicklungsländer / Entwicklungspolitik / Entwicklungs-zusammenarbeit und sein ''afrikanisches Segment" eine wirkungsvollere feste Einbeziehung als systematisches Quer­schnittselement des Wirkens erfahren. Die sich mit Afrika beschäftigenden Nichtregierungsorganisationen, Gruppen und Initiativen im Land Brandenburg sind dabei ganz sicher gern mehr als eine flankierende stabile Ergänzung.


1   Vgl. Ullmann, Texte zur brandenburgisch-preußischen Kolonialgeschichte (Brandenburg in Afrika), in: Hundt, W. (Hrsg.)  

     Brandenburgische Entwicklungspolitische Hefte (BEB), (Potsdam), 3/1992.


2   Hundt, W Vorwort zu BEH 3/1992, S. 4.


3   Vgl. BEB 1/1992, 7/1993, 8/1993