Prof. Dr. habil. Walter Hundt


Herausgeber der „BEH“ (Brandenburger Entwicklungspolitische Hefte)     


Einige Gedanken, vorgetragen auf der Entwicklungspolitischen Landeskonferenz Brandenburgs am 30.4.2004 in Potsdam (Kurzfassung)


Sowohl in der Einladung als auch heute hier auf der Konferenz wurde mehrfach von Anzeichen für eine „Wende“ oder einen „Neuanfang“ in der Entwicklungspolitik des Landes bzw. in den Beziehungen zwischen Landesregierung und den NRO gesprochen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass dazu zwei unverzichtbare Voraussetzungen unumgänglich sind:


  1. Realismus in der Betrachtung des entwicklungspolitischen Gestern und Heute;          
  2. die Bereitschaft, Lehren aus den vergangenen Jahren zu ziehen, wie sie von uns bereits vor längerer Zeit formuliert und postuliert wurden (siehe BEH 39/40 und BEH 41).


Auf elf erfolgreiche Jahre des „Brandenburgischen entwicklungspolitischen Experiments“ mit einer im Prinzip guten Kooperation zwischen NRO/BEPI und der Landesregierung sowie allen Fraktionen/Parteien – wobei die mit der langjährigen Regierungspartei SPD besonders gut war, wenngleich diese oftmals auch von uns „zur Jagd getragen“ werden musste – folgten die bekannten verhängnisvollen Beschlüsse der Großen Koalition auf entwicklungspolitischem Gebiet, gegen die in der politischen Auseinandersetzung nur die PDS eine aktive Rolle an der Seite der NRO spielte.

 

Daraus leite ich meine Forderung ab: jede Überlegung zum künftigen Vorgehen muss die kritische Analyse der Bilanz 2001/02/03 einschließen! Wer dazu nicht bereit ist, ist für mich politisch unglaubwürdig. Verheimlicht werden darf nun einmal nicht – und hier mache ich von meinem juristisch gesicherten Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch - , dass die Große Koalition quasi entwicklungspolitischen Landesverrat begangen hat und die SPD-Fraktion und der Landesvorstand der SPD die hervorragenden Beschlüsse ihres eigenen Nürnberger Parteitags über die entwicklungspolitischen Aufgaben auf Landesebene in der gleichen Woche gebrochen haben, in der sie mit den Brandenburger Stimmen verabschiedet wurden. In zunehmenden Maße stellt man einen eklatanten Verlust des (entwicklungs)politischen Erinnerungsvermögens fest, gekoppelt mit Unzuverlässigkeit, Wortbruch, Verstecken hinter Leitlinien (die längst kaum noch das Papier wert sind, auf das sie einmal gedruckt wurden), Unvermögen und mangelndem politischen Willen, der Entwicklungszusammenarbeit den Stellenwert einzuräumen, der ihr weltpolitisch / weltwirtschaftlich zukommt. Hier muss man auf Seiten des Staates / der Landesregierung eine gewisse Rückkehr, besser ein modernes Umdenken und eine saubere politische Position zum Politikfeld EZ  erwarten.


Im heutigen Bericht der Landesregierung war das für mich noch nicht zu erkennen. Etikettenschwindel hilft niemandem! Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir sagen, dass die eigentliche EZ in Brandenburg in der letzten Zeit – innen und nach außen – nur von den NRO betrieben wurde, trotz der erschreckenden quantitativen Wegbrüche, über die wir nicht hinwegsehen sollten (es folgten eine ganze Reihe Beispiele zur Beweisführung).


Optimistisch stimmen mich zwei derzeitige Bemühungen: zum einen die Anstrengungen von E+U e.V. und VENROB, besonders von Alexander Engels und Uwe Prüfer, zur erfolgreichen Vorbereitung und Durchführung der heutigen Konferenz und zum andern die Vorbereitungen zur Gründung des Forum Eine Welt Berlin-Brandenburg auf Initiative von Heidemarie Wieczorek-Zeul und einer Initiatorengruppe in der nächsten Woche. Das trifft auch auf die offensichtliche Grundtendenz in der brandenburgischen Situation zu: nämlich die nach Jahren der Sprachlosigkeit bekundete  politische Gesprächsbereitschaft sowohl der NRO-Szene als auch der Landesregierung, wie sie heute auch in den Ausführungen der Ministerin sichtbar wurde. Aber ich möchte noch einmal in aller Eindeutigkeit herausstellen: es ist trügerische Augenauswischerei, wenn die finanzielle Seite stets von vornherein demonstrativ ausgeklammert wird. Warum soll denn gerade EZ / Entwicklungspolitik als einziges Feld nahezu absolut ohne jegliche finanzielle Mittel möglich sein? Das ist keineswegs eine finanztechnische Frage, sondern das ist Element der politischen Frage!


Eine wichtige Rolle beim Wieder-in-Gang-Bringen des Dialogs könnten unsere „Brandenburgischen Entwicklungspolitischen Hefte“ spielen, die elf Jahre lang eine Art „Organ des Brandenburgischen entwicklungspolitischen Experiments“ (BEH 1-38) waren, das beide Seiten sehr aktiv und wirkungsvoll nutzten. Sie wurden in jener kritischen Periode zum Organ scharfer Kontroverse und Auseinandersetzung (BEH 39-41). Ab Heft 42 haben wir die Schriftenreihe zurückgeführt zu ihrer „Normalaufgabe“. In allen Phasen hat die Redaktion eine erstaunlich große Solidarität erfahren.

 

Es steht zu vermuten, dass diese heutige Konferenz sich als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung erweisen wird. Dazu gehört die konsequente Umsetzung des politisch hier Bekundeten im Großen und im  Kleinen!