Prof. Dr. habil. Walter Hundt, Fichtenwalde *)


 *) Der Autor ist seit Beginn des Prozesses (als Experte für ostdeutsche Fragen und für Nichtregierungsorganisationen, besonders auf entwicklungspolitischem Gebiet) Mitglied der Delegation der BRD-Seite des südafrikanisch-deutschen Gremiums, das von beiden Staatspräsidenten geleitet wird.

 

Erschienen in: WeltTrends, Potsdam/Poznan, Nr. 55, Sommer 2007, S.179-180


In Transition: Deutschland und Südafrika                

Internationale Konferenz „Partnership on Cooperative Development Germany- South Africa. - People to People Dialogue“, Oudtshoorn (Western Cape)/Süd-afrika, 27.9.-1.10.2006


Die Konferenz war die Fortsetzung eines vor fünf Jahren begonnenen bilateralen Prozesses. Erste Initiativen für diese Politik, Wirtschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen ein- schließenden Aktivitäten gingen 2001/2002 vom damaligen Bundespräsidenten Dr. Johannes Rau und vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki aus, unter deren Leitung faktisch auch die ersten Delegationen standen. Diese Maßnahmen trafen zusammen mit einem auf fünf Jahre angelegten Tagungsprojekt der Evangelischen Akademie Loccum. Oudtshoorn vorausgegangen sind - heute als „Loccum-Oudtshoorn-Prozeß“ bezeichnet - ähnlichgeartete Konferenzen im November 2002 in Kopagnon nahe Johannesburg und im August 2004 in Loccum sowie Tagungen der  südafrikanisch-deutschen Koordinierungsgremien zwischen den Konferenzen sowohl in Südafrika als auch in Deutschland. Im Verlauf der Jahre verschob sich das Schwergewicht der Konferenzen allmählich von Projekten stärker zum orientierenden Dialog. Die beidseitige Aufmerksamkeit  wandte sich zunehmend den Transformations- prozessen in beiden Ländern zu, die von der konkreten Entwicklung bei der Überwindung der Apartheid und im deutschen Vereinigungsprozeß sowie durch die Globalisierung ausgelöst wurden.

So zeichnete sich die diesjährige  Tagung - sowohl im Plenum als auch in den Arbeitsgruppen - vor allem durch die Untersuchung der Herausforderungen in beiden Staaten bei der Herausbildung gewisser Ähnlichkeiten des Transitionsprozesses und durch den Austausch strategischer Gesichtspunkte der innergesellschaftlichen und globalisierungsbedingten Prozesse und ihrer politisch-ökonomischen und sozialen Gestaltung aus. Unter den 24 südafrikanischen und 18 deutschen Referenten befanden sich auch drei aus den neuen Bundesländern. Der ehemalige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts und heutige Präsident des Deutschen Kirchentages Dr. Reinhard Höppner referierte zum Thema „Politik und Wirtschaft im Übergang von einem zentral kontrollierten und geplanten System  zu freier Markt- wirtschaft und Demokratie und ihr Einfluß auf Armut und nachhaltige Entwicklung – eine deutsche Sicht“. Michael Madjera von der Kirche Sachsen-Anhalts sprach über alternative Energiequellen und den Zusammenhang mit Armutsbekämpfung, Energieerfordernissen und Umwelt. Prof. Dr. Walter Hundt, Stellv. Vorsitzender des Rates der Stiftung Nord-Süd-Brücken und  langjähriger Direktor des ehem. Brandenburgischen Entwicklungspolitischen Instituts, behandelte das Thema „Aktivitäten ostdeutscher NRO mit südafrikanischen Partnern – ein Beitrag zum Transitionsprozeß in Politik und Wirtschaft beider Länder“.

Dabei ging er auf die Besonderheiten der NRO in den neuen Bundesländern ein und erläuterte vor den an diesen Fragen außerordentlich interessierten südafrikanischen Teilnehmern den komplizierten Prozeß der Entstehung des SODI-International und der Stiftung Nord-Süd-Brücken sowie das sich allmählich auch in Ostdeutschland stabilisierende Wirken zahlreicher kleinerer Gruppen und Vereine sowie  kirchlicher Projekte und Einrichtungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit südafrikanischen Freunden in deren Regionen in der RSA. Die in diesem Prozeß herausragende Arbeit von SODI und dessen südafrikanischer Projekte, das gemeinsame Bemühen um Hilfe zur Selbsthilfe, erreichte Erfolge und auftretende Schwierigkeiten analysierte der Referent am Beispiel eines gemeinsam mit dem Gewerk- schaftsdachverband COSATU rekonstruierten Kindergartens in Johannesburg (mit dem 1993 alles anfing), des langjährig betriebenen Schul- und Familiengarten-Projekts (Umthati Training Project) in Grahamstown, der Arbeit mit dem Children´s Resource Center in Kapstadt, der Zusammenarbeit mit dem Women´s Institute for Leadership Development and Democracy in Johannesburg und der Unterstützung der Landreform und des besseren Zugangs zu Land sowie der Qualifizierung und der Vernetzung ländlicher Aktivitäten in den Provinzen Eastern Cape, Western Cape und Limpopo gemeinsam mit dem Trust for Community Outreach and Education in Kapstadt. In den sich anschließenden Debatten bekundeten zahlreiche südafrikanische Institutionen, Kommunen und Gruppen ihr Interesse an Kontakten mit ostdeutschen NRO und an deren Erfahrungen.

Die Palette der in Referaten und Debatten behandelten Probleme - jeweils aus Sicht beider Länder - war außerordentlich breit und erstreckte sich auf die Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen Umbruchprozessen und den Komplexen Armutsbekämpfung, nachhaltige Entwicklung und HIV/Aids-Eindämmung; auf den Einfluß dieser Prozesse auf Regierung, Unternehmen, Arbeitswelt, Zivilgesellschaft und Umwelt; auf Wirtschaftswachstum und soziale Sicherheit im globalen Kontext; auf die Überwindung der urban-ruralen Kluft; auf  regionale Entwicklungsstrategien und die Rolle der südafrikanisch-deutschen Partnerschaft.   

Die Referenten und Diskussionspartner kamen auf südafrikanischer und auf deutscher Seite von parlamentarischen Vertretungen der verschiedenen Ebenen, Ministerien, kommunalen Institutionen, kirchlichen Leitungen und Gemeinden, Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen. Für die Periode bis zur nächten Tagung in Deutschland (Loccum) wurde eine Vielzahl von Festlegungen und Vereinbarungen getroffen, die erstmals - entgegen den bisherigen Gepflogenheiten - ihren Niederschlag nicht in einer umfassenden Abschlußerklärung fanden.