Jahresliteraturbericht 5

(Erscheinungsjahr 2015)


Militärisch-historische und militärtechnische Analysen im Rahmen

der DDR-Luftwaffen-Geschichtsschreibung

im Zeitraum 2014


Walter Hundt



Nach einer mehr oder weniger verständlichen „Ruhepause“ Anfang der 90er Jahre hinsichtlich von Schreibaktivitäten über die Geschichte der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der DDR hat sich in den letzten Jahren eine erstaunliche Zahl von qualifizierten „Ehemaligen“, meist Augenzeugen, dazu durchgerungen, einzeln oder im Kollektiv zur Feder zu greifen und dem wartenden Leser Druckerzeugnisse in beachtlicher Qualität vorzulegen. So erschienen allein in den vier Jahren bis 2013 etwa 65 Buchtitel mit schätzungsweise 20.000 Buchseiten, auf denen Bilanz gezogen wurde hinsichtlich der Entwicklung der Fliegerkräfte, der Fla-Raketentruppen und der Funktechnischen Truppen der Luftverteidigung der DDR. Eine beachtenswerte Bilanz! Im Berichtszeitraum 2014 gelangten erstmalig außerordentlich wenig Titel zur Druckreife und zur verlagsmäßigen Herausgabe (insgesamt 6), die an dieser Stelle zur Analyse herangezogen werden konnten.


Die Rolle der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung in Standard- bzw. Querschnittspublikationen zur NVA im Jahr 2014

In diesem Jahr liegt lediglich ein einziger Titel innerhalb dieser Rubrik vor. Vom Autor Rüdiger Wenzke erschien der Titel „Nationale Volksarmee. Die Geschichte“ 1).  Der Autor ist bekannt durch zahlreiche Publikationen zur Geschichte der DDR-Streitkräfte und ihrer Teilstreitkräfte, darunter die Luftstreitkräfte. Eingebettet in eine Universal-Darstellung der Entwicklung der NVA behandelt er die Entwicklung der LSK/LV von den Anfängen bis zum Ende 1990. Dabei geht er besonders auf die relativ wenig bekannte „frühe Vorgeschichte“ 1945-55 ein (Hauptverwaltung für Ausbildung/Referat zur besonderen Verwendung Luft; Hauptverwaltung Luftpolizei mit den Standorten Cottbus, Drewitz, Bautzen und Kamenz; Volkspolizei Luft; Aeroklubs des MdI/KVP  in Cottbus, Dresden und Bautzen, später auch Kamenz). Mitte 1952 standen die ersten Piloten und das erforderliche fliegertechnische Personal zur Verfügung. 8.200 Mann verfügten über 142 Flugzeuge unterschiedlicher Typen sowjetischer Herkunft.
In der Periode 1956-89 entstanden Luftverteidigungsdivisionen in Cottbus und Neubrandenburg-Trollenhagen mit ca. 200 Maschinen der Typen MiG-17 und des Überschalljägers MiG-19 sowie deren Versionen, diversen Übungs-, Transport-  und Verbindungsmaschinen. In den 70er Jahren wurden Jagdbombergeschwader und Hubschraubereinheiten der Front- und Armeefliegerkräfte sowie massive Kräfte der Fla-Raketen und der Funkmeßtruppen formiert.Die Sollfriedensstärke betrug in dieser Phase 28.500 Mann. Dazu kamen bei den Jagdflieger- und Jagdbombenflieger-Geschwadern moderne Maschinen der Typen MiG-21, MiG-23 BN und MiG-17F, ferner Hubschrauber-Geschwader mit Mi-8T und Mi-2 sowie Kampfhubschrauber Mi-24D und spezielle Aufklärungsmaschinen. Daneben entstanden Regimenter der Fla-Raketentruppen  und Funktechnische Bataillone mit automatischen Führungs- und Leitsystemen. In den achtziger Jahren kamen modernere Jagdbomber und Kampfhubschrauber dazu sowie ein Marineflieger-Geschwader.
Die Zahl der Flugzeuge und der Raketen-Rampen erhöhte sich bedeutend. Die Ereignisse der Jahre 1989/90 beendeten diese Entwicklung.
Der Band ist reich bebildert und ergänzt durch eine Zeittafel, ein Glossar der militärischen Termini, eine einschlägige Auswahlbibliographie und ein Personenregister.


   

Vom Start bis zur Landung – zur Geschichte der Fliegerkräfte der LSK/LV


Dank des Autors sowie der bewährten Tätigkeit des Dr. Köster Verlags Berlin  lag uns am Jahres- ende nach großen Anstrengungen und auch Auseinandersetzungen der Titel „MiG-29-Pilot in NVA und Bundeswehr. 'So war das eben'. Ein ehemaliger Jagdflieger berichtet" 2) von Manfred Skeries vor, mit dem der letzte Chef  Jagdfliegerkräfte der DDR-LSK, Oberst a.D. Manfred Skeries, erster Deutscher, der eine gefechtsbereite Jagdmaschine des bewährten sowjetischen Typs MiG-29 fliegen durfte, seine Erfahrungen auf diesem hochinteressanten Aktionsfeld verarbeitete. Eine Besonderheit seiner Laufbahn besteht darin, daß Manfred Skeries auch noch die fliegerische und politische Realität der zweiten deutschen Luftwaffe fast fünf Jahre lang, zuletzt in Laage als Stellvertretender Geschwaderkommodore des JG 73 der Bundesluftwaffe mit den vom JG 3 der LSK/LV in Preschen übernommenen 24 MiG-29, erlebte - „natürlich“ mit der entsprechenden „Dienstgradherabsetzung“. Die Flugzeuge wurden später für 1 € pro Maschine durch die Bundesrepublik an Polen verkauft. Die DDR hatte die Flugzeuge vom sowjetischen Hersteller zu einem Stückpreis von je 64 Mill. Mark erworben! Der Band war ursprünglich seitens des Autors nur für seine Familie gedacht und deshalb auch nur in fünf  Exemplaren gedruckt worden. Diese Absicht wurde im Interesse einer größeren Leserschaft schließlich lobenswerterweise aufgegeben, nicht zuletzt dank meiner Debatten mit M. Skeries und der rezensierenden Behandlung in meinem Jahresbericht Nr. 3 (2013), die einen guten Widerhall bei den Lesern fand.


Skeries ist einer von denen, die in jeder fliegerischen Hinsicht als speziell kompetent angesehen werden können. Geboren im Kriegsjahr 1942, aufgewachsen in unmittelbarer Nähe eines großen Flugplatzes, mit 14 Jahren Segelflieger auf dem legendären SG-38, bald Absolvierung des ersten Motorfluglehrgangs, mit 17 Jahren im Fliegerausbildungsgeschwader1 Kamenz, Ausbildung auf der guten alten Jak-18, fliegerische Qualifizierung auf fast allen MiG-Typen von der MiG-15UTI bis zur MiG-29. Er erwarb alle erforderlichen Qualifikationsstufen, Berechtigungen  und Leistungs- klassen, absolvierte die Militärakademien in Dresden und Moskau/Monino und durchlief quasi alle einschlägigen Dienststellungen und Dienstgrade. Hinzu kommen die erwähnten Erfahrungen in der Luftwaffe der Bundeswehr. Als Rentner ist er heute Vorsitzender des Fliegerkreises Berlin-Brandenburg der Gemeinschaft der Flieger deutscher Streitkräfte.

Mit dem jetzt vorliegenden Band haben wir es mit einer spezifischen Art von militärischer Literatur zu tun, vor der ich als Verfasser der jährlichen Literaturberichte zur DDR-Luftwaffengeschichtsschreibung (Internet) nur voller Hochachtung den Hut ziehen kann: vor dem Inhalt und seiner methodischen Aufbereitung und der Vermittlung eines unschätzbaren Erfahrungs- und Erlebnisschatzes unter Zuhilfenahme einer Unzahl von Fakten, gestützt auf seine Kaderunterlagen, einige Fotos, Flugbücher, Urkunden und vor allem sein Gedächtnis. Rücksprachen mit einigen Wegbegleitern und Freunden haben Lücken schließen helfen. Dies hat zu einem literarischen Ergebnis geführt, das sich nicht zuletzt wegen seiner Problemdichte sehen lassen kann. Durch den Autor werden Vorgänge des Fliegens, natürlich einschließlich des Technikbereichs, minutiös beschrieben. Das notwendige, ständige, quasi lebenslange beharrliche Flugtraining einschließlich einer Vielzahl technischer Details ist nicht nur für den Qualifizierten nachvollziehbar, sondern auch für den etwas eingeweihten interessierten Laien mit gewissen technischen Vorkenntnissen.

Skeries hebt die Notwendigkeit hervor, die Sprache des Flugzeugs zu verstehen, sich mit dem Flugzeug zu unterhalten und Gefühle für Bewegungen und Geräusche zu entwickeln. Er nimmt eine lesergemäße charakterisierende Beschreibung der Flugzeug-Typen und ihrer Versionen vor. Generell unternimmt er den Versuch, auch den Nichtkenner Schritt für Schritt in ausgewählte technische und flugtechnische Dinge einzuweihen bzw. sie zu befähigen, sie annähernd zu verstehen. Dabei werden auch solche Elemente wie Herstellen der Gefechtsbereitschaft, der militärische Alltag oder auch - seinerzeit nicht herausgestellt – die deutsch-sowjetische Waffenbrüderschaft und ihre politischen und technischen Grenzen erläutert.


Den Versuch eines gewollten Nebeneinander von großen weltpolitischen Linien und konkreten Ereignissen und persönlichen Erlebnissen sowie die gute „Mischung“ von gesamtpolitischen, militärisch-fliegerischen, persönlich-militärischen und privat-persönlich-familiären Problemen, die sich gut ergänzen und das generelle Verstehen quasi fördern, wird der Leser hoffentlich als  gelungen ansehen. Das immer wieder auftauchende persönliche Resümee des Buchtitels „So war das eben!“ - übrigens in beiden Gesellschaftsordnungen - ist genau wie der Buchtitel scheinbar eine nichts aussagende Vokabel des täglichen Lebens, schließlich aber erleichtert es bei dem gutwilligen Leser das tiefgründige Begreifen bestimmter Ereignisse und Zusammenhänge ohne weitere Kommentare.


Komplizierte Vorgänge, die der Umgang von Vorgesetzten und Unterstellten unter „normalen“ militärischen Bedingungen mit sich bringt und bei denen stets vorausgesetzt wird, dass Konfliktpotential entschärft wird und zu einer Umsetzung der erhobenen Forderungen führt, werden militärpsychologisch hervorragend abgehandelt, so dass auch der „Ungelernte“ und Außenstehend-Unbeteiligte sie versteht. Das trifft auch auf Vorgänge bei sich selbst und vor allem ausgelöst durch Vorgesetzte zu. Der Leser merkt, dass vor allem die Laufbahn des fliegenden Vorgesetzten eine der komplexesten und eine der kompliziertesten ist - in dienstlicher und in privat-persönlicher Hinsicht. Das Ganze wurde in der DDR durch das sozialistisch-militärische Familienleben ergänzt und - wie der Autor zeigt - bei etwas Glück auch erleichtert. Die Ehefrau musste das soldatisch-fliegerische Leben unter den Bedingungen des Kalten Krieges hautnah und in jedem der vielen Standorte miterleben und ertragen – wo das Leben den Offizier und seine Familie auch hin trug. Auch das Leben der beiden Kinder war schließlich in jeder Hinsicht von dieser Situation betroffen.



Manfred Kanetzki legt die 2., stark überarbeitete Auflage eines bereits in den neunziger Jahren entstandenen und veröffentlichten Manuskripts vor. Der jetzige Band "MiGs über Peenemünde. Die Geschichte der  NVA-Fliegertruppenteile auf Usedom" 3) ist im Verlag MediaScript Berlin erschienen, der sich in den letzten Jahren besonders um die Herausgabe fliegerhistorischer Literatur zu den DDR-Luftstreitkräften verdient gemacht hat. Gegenstand der offenbar sehr gründlich erforschten Abhandlungen sind das Jagdfliegergeschwader 9 (entstanden bereits in Drewitz)  , das Fliegertechnische Battaillon 9, die Zieldarstellungskette 33 und das Funktechnische Bataillon 33 in der Periode ab Januar 1961, jeweils ergänzt durch diverse Zeit- und Übersichts-tafeln, ein Literaturverzeichnis sowie Listen der Kommandeure, der ausgezeichneten Piloten, der Flugvorkommnisse (Havarien, Katastrophen und Brüche im Geschwader) und der während der Ausbildung tödlich verunglückten Flugzeugführer – letzteres in der DDR eines der strikt gehüteten Geheimnisse.

Eingangs wird die Vorgeschichte der Region Peenemünde in der Zeit der faschistischen Wehrmacht und während der Nutzung durch die sowjetischen Luftstreitkräfte dargestellt. Daran schließt sich eine umfassende historische Behandlung des LSK-Potentials in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren  auf Peenemünde und auf den Nebenflugplätzen an. Untersucht und dargestellt werden die ungezählten Aspekte der Ausbildung und des Trainings, der technischen Ausstattung aller Art und das permanente Ringen um die Erhöhung des Gefechtswertes des Geschwaders, der Kette und der beiden Bataillone, jeder in seinem Bereich und seiner sehr spezifischen Aufgabenstellung, die sämtlich erst in einem fruchtbaren Zusammenwirken ihre Erfüllung finden.

Besondere Berücksichtigung erfahren die erhöhten Anforderungen durch die Übernahme des JG 9 in das Diensthabende System 1961 und die sich dadurch ergebende bedeutende Erhöhung der Flugzeiten. Dazu gehörte auch die Ausbildung nach völlig neuen Gefechtsdokumenten. Das Jagdflieger-Geschwader erfuhr im Lauf der Jahre eine Ausstattung mit folgenden sowjetischen Typen: Jak-18 und Jak-11; MiG-15, MiG-15UTI und MiG-15bis; MiG-17F und MiG-17PF; MiG-21F13, MiG-21PFM, MiG-21SPS, MiG-21M und MiG-21MF; MiG-23ML und MiG-23UB. Die Zieldarstellungsstaffel 33 flog Varianten der IL-28 und L-39ZO sowie L-39V und L-39 200. Aus dem Ganzen heraus erfährt der "normale Leser" echt interessante, sonst kaum bekannte Fakten und Zusammenhänge auf allen Teilgebieten einschließlich des Geschwader-"Alltags". Hauptaufgabe war die Abwehr massierter Luftangriffe aus mehreren Richtungen am Tage und bei Nacht unter allen Wetterbedingungen und Höhen bei Anwendung von Massenvernichtungsmitteln und von Funk- und Funkmeßstörungen durch den Gegner. Auf Dauer war das Geschwader mit dem Seeüberwachungsflugzeug Breguet BR 1150 Atlantic der NATO konfrontiert. Trainiert wurden auch das Schießen auf Erd- und See-Ziele mit Bordkanone, ungelenkten Raketen und Bomben, partiell auch mit taktischen Kernwaffen. Besondere Höhepunkte der Modernisierung und der Verbreiterung des Aufgabenfeldes waren die Einführung der MiG-21 und der MiG-23 mit ihren jeweiligen Varianten sowie Gefechtsausbildung und Gefechtsschießen in der Sowjetunion. Eine spürbare Konsequenz der Auswertung der Erfahrungen in den israelich-ägyptischen bewaffneten Auseinandersetzungen brachte die Einführung der offenen, der gedeckten bzw. der geschlossenen Abstellplätze.

Auch die generellen und die spezifischen Aufgabenstellungen der jeweiligen Bataillone, Staffeln und der Zieldarstellungskette werden ausführlich behandelt und ihr wichtiger Platz im Gesamt-gefüge des JG 9 Peenemünde geklärt.



Eine mindestens indirekte Beziehung zur Entwicklung und zu den  Aufgabenstellungen der LSK/LV hat der Band von Bernd Biedermann und Wolfgang Kerner "Krieg am Himmel. Luftprovokationen, Spionageflüge, Flugzeugentführungen" 4), den der auf unserem Interessengebiet recht verdienstvolle Steffen Verlag Berlin/Friedland herausgab. Die Verfasser unternehmen den gut fundierten Versuch nachzuweisen, daß Luftprovokationen, Spionageflüge und Flugzeug-entführungen sowie die Abwehr und Verhinderung solcher Ereignisse mit dem Fortschreiten der modernen Technik einen neuen Platz und erhöhte Bedeutung erhalten. Ihre Planung und ihre Durchführung erhalten neue Möglichkeiten, aber ihre Abwehr wird gleichermaßen auch komplizierter. Neue Elemente auf diesem Wege waren die Photographie (Kamera, Filme) , die Funkmeßtechnik, der hochentwickelte Flugzeugbau und die Entwicklung moderner Ballons. Die Autoren nehmen eine ausgiebige und gründliche Analyse von 26 schwerwiegenden Ereignissen in den letzten 60 Jahren vor (darunter der U-2-Abschuß 1960 und der Moskau-Flug des Mathias Rust 1987), die durch über 100 Abbildungen und diverse Zeitdokumente belegt wird. Der Band enthält auch eine fotogestützte Übersicht über die heutigen Spionagemaschinen der NATO-Staaten und Darlegungen über Erfahrungen des seinerzeitigen Fla-Raketen-Regiments 13 der LSK/LV der DDR bei der Abwehr bestimmterTypen. Die Autoren setzen sich auseinander mit den Definitionen der Unterschiede zwischen "Aufklärungsflügen" und "Spionageflügen". Auch die Methodik des Verfälschens von Sachverhalten und des Vertuschens von Wahrheiten und ihrer wachsenden erschwerten Aufklärung ist Gegenstand der Untersuchungen dieses Buches. Der enge Zusammenhang mit internationalen und nationalen Eskalationen im Kalten Krieg und heute wird verdeutlicht.


Vor den Augen der Leser entsteht an Hand zahlreicher einschlägiger Fälle und Ereignisse die Geschichte der Luftspionage, wobei die Beziehungen zur Luftverteidigung und der "Wettlauf" zwischen beiden verdeutlicht werden. Ausgewertet werden zahlreiche gefährliche Vorkommnisse, die lange Zeit auch in Verbindung standen mit der Diskussion in den Luftstreitkräften der sozialistischen Staaten, ob die Fla-Raketenkräfte die Hauptfeuerkraft darstellten oder ob den Jagdfliegerkräften ein gewisses Primat zukomme, was im Fall des U-2-Abschusses 1960 auf Seiten der UdSSR zu gefährlichen Irrtümern und Fehlentschei-dungen in der militärischen und letztendlich auch in der politischen Führung führten.


Aus der Reihe der von den Autoren ausgewählten Fälle seien neben Hunderten von Flugzeug-entführungen einige Zwischenfälle genannt: der Einflug von  US-Hubschraubern in den DDR-Luftraum 1956 und 1958, der vor allem die Rolle des Berlin-Luftkorridors unterstrich;  die Operation einer RB 66C über Gardelegen 1964; chinesische Abschüsse von U-2-Maschinen über Peking in den frühen sechziger Jahren mit sowjetischen Raketen; der schließliche Abschuß der von Powers geflogenen U-2 über sowjetischem Territorium; die Vorkommnisse mit dem noch heute von Geheimnissen umgebenen abenteuerlichen Flug des Mathias Rust von Skandinavien nach Moskau 1987; die Flucht eines sowjetischen Oberleutnants mit einer MiG-25 1976 nach Japan; Ereignisse mit US-Maschinen über dem kubanischen Luftraum 1962; der Flug einer sowjetischen Tu-16 über Schleswig-Holstein; die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" 1977; der Abschuß einer südkoreanischen Passagiermaschine 1983 über Sachalin durch sowjetische Flieger; der 900 km- "Geisterflug" einer führerlosen sowjetischen MiG-23 1989 und ihr Absturz nach Treibstoffende über belgischem Gebiet; die Ereignisse in New York am 11. September 2001.



In Tradition zu 2013 veröffentlichte der 1990 gegründete Förderverein Flugplatzmuseum Cottbus den Flugplatzmuseum Cottbus, Kalender 2015 5). Die im Verlag MediaScript veröffentlichten zweimal 12 Kalenderblätter dienen der Vorstellung von verschie-denen nach wie vor im Mittelpunkt des Museums Cottbus stehenden Flugzeugtypen, überwiegend Leihgaben des Bundeswehr-Museums Flugplatz Berlin-Gatow.

Es handelt sich um LSK/LV-Maschinen sowjetischer Provenienz: Jagdflugzeuge vom Typ MiG-17F, MiG-21bisSau und MiG-23BN sowie Su-22UM3K; die Kampfhubschrauber Mil Mi-9 und Mil Mi-24; eine Antonow An-14; aus anderen Ländern die PZL-106 Kruk, Aero L-29 Delfin, Let Z-37 Cmela'k, Fiat G91 R3 "Gina" und Piaggio P.149.  

Auf den restlichen Blättern werden Fahrzeuge der unterstützenden Dienste bzw. der Landstreitkräfte vorgestellt (mit Luftabwehrmitteln ausgestattete Werkstattwagen, geländegängige Kübelwagen, Spezial-Lastkraftwagen u.a.).



Die Fla-Raketentruppen der LSK/LV als moderne Waffengattung und ihre Widerspiegelung in der Traditionsarbeit nach 50 Jahren


(Zu diesem Komplex der bisherigen Jahresliteraturberichte erschien im letzten Jahr kein Buchtitel)



FuTT - eine eindrucksvolle hochmoderne und gefechtsentscheidende Waffengattung im System der LSK/LV                                                                                               

(Zu diesem Komplex der bisherigen Jahresliteraturberichte erschien im letzten Jahr kein Buchtitel)


Historisch-technische Berührungsfelder und zivil-militärische Wechselbeziehungen zwischen Militär- und Zivilluftfahrt / Flugzeugbau und Flugplätze u.ä.

Von einem fünfköpfigen Autorenkollektiv der GBSL (Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten deutscher Luftfahrtgeschichte) erschien unter der Redaktion von Jörn Lehweß-Litzmann im Verlag MediaScript der Band „Historische Luftfahrtstätten in und um Berlin“ 6). Allein auf Lehweß-Litzmann und Dr. Ahlbrecht entfallen je über 20 der insgesamt 51 Beiträge. Der Band soll das Erinnerung-Wahren sicherstellen. Er enthält diverse Zusatzliteratur-Hinweise.

Fachhistoriker bezeichnen den Berlin-Brandenburger Raum nicht zu Unrecht als die einstige Kinderstube der Fliegerei, als eine, wenn nicht
die geschichtsträchtigste Luftfahrtregion der Welt. Auf alle Fälle war und ist der Raum ein ausgesprochen wichtiges Zentrum der Luftfahrtentwicklung und der Luftfahrtstättenentwicklung, der Luftfahrtforschung (Erfindungen, Rekorde, historische Ereignisse) und des Luftfahrzeug- und Luftfahrzeugzubehörbaus in einer beispiellosen Dichte und Vielseitigkeit; darunter auch der eigentliche Flugzeugbau und die entsprechende Ausbildung. Der Raum hat Geschichte der Luftfahrt geschrieben. Mehrfach wird im Buch auf die hohe Bedeutung und die Verdienste Otto Lilienthals hingewiesen. Dabei gab es bedeutsame Fortschritte, aber auch – nicht selten tödliche – Rückschläge. Auch die beiden Weltkriege führten zu erzwungenen Umbrüchen. Historischer Stolz und Trauer lagen, darauf wird immer wieder von den Autoren hingewiesen, oft dicht beieinander. Die Erwähnung aller im Buch rund 25 hauptsächlichen Entwicklungsbereiche, konzentriert in mehr als 40 Berliner Ortsteilen und Randgemeinden im weitesten Sinne, kann hier nicht einmal andeutungweise erfolgen. Viele dieser historischen Plätze haben selbst eine überaus interessante Eigengeschichte, die zum Berliner Geschichtskompendium gehören.

Einige der Flug- und Landeplätze schlossen sich 2014 zum Luftfahrtverband „FlyBB“ zusammen, wobei zahlreiche inzwischen verwaiste generelle Plätze oder solche Flug- und Werksflugplätze mit inzwischen erloschenen Betriebsgenehmigungen natürlich außerhalb blieben. Über alle „Flugplätze der Frühzeit“ gibt das Buch lückenlos einen guten Überblick.  Die militärische Nutzung vor und während des Krieges wird ausführlich behandelt. Eine besondere Rolle spielen das Tempelhofer Flugfeld als „Mutter aller Berliner Plätze“, ähnlich Schönefeld und Tegel, besonders in der Periode nach dem 2. Weltkrieg. Fragen wie die Nutzung der Platzkapazitäten im Zusammenhang mit der amerikanischen Luftbrücke und den Luftkorridoren sowie einschließlich des Berliner Umlandes durch die sowjetischen Luftstreitkräfte und die sich entwickelnden Luftstreitkräfte der DDR werden ausführlich behandelt. Die heutige Szene ist durch Schönefeld und den BER einschließlich Tegel sowie 76 Verkehrs-, allgemeine Sonder-, Hubschrauber- und Rettungshubschrauber- sowie Segelflug-Plätze gekennzeichnet.

Der Band verspricht für Fachleute und Interessenten eine spannende Lektüre, aus der sich vielleich hier und da ein Drang zum Weitereindringen in die historische Materie ergibt.



Rezensierte Literatur


      1.  Wenzke, Rüdiger, Nationale Volksarmee. Die Geschichte. GeraMond Verlag, München 2014,

           220 S.


      2.   Skeries, Manfred, MiG-29-Pilot in NVA und Bundeswehr. „So war das eben“. Ein              

            ehemaliger Jagdflieger berichtet. Verlag Dr. Köster, Berlin 2014, 304 S.


      3.  Kanetzki, Manfred, MiGs über Peenemünde. Die Geschichte der  NVA-Fliegertruppenteile     

           auf Usedom. Verlag MediaScript GbR, Berlin 2014, 212 S. (wesentlich überarbeitete

           Ausgabe der 1. Auflage von 2001)


      4.  Biedermann, Bernd/Kerner, Wolfgang, Krieg am Himmel. Luftprovokationen, Spionage-          

           flüge, Flugzeugentführungen. Steffen Verlag, Berlin 2014, 176 S.


      5.  Flugplatzmuseum Cottbus, Kalender 2015. Verlag MediaScript GbR, Berlin 2014


      6.   Autorenkollektiv der GBSL (Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten deutscher             

           Luftfahrtgeschichte), Historische Luftfahrtstätten in und um Berlin. Verlag MediaScript

           GbR, Berlin 2014, 204 S.